Leitsatz (amtlich)
1. Die Verwertung einer Lebensversicherung stellt auch dann eine unzumutbare Härte im Sinne des § 115 Abs. 3 ZPO dar, wenn hiermit der behindertengerechte Umbau eines bereits im Eigentum des Antragstellers stehenden Wohngebäudes angestrebt wird.
2. Die Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag fällt auch dann in vollem Umfang beim Beschwerdegericht an, wenn die Beschwerde sich lediglich gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers über die wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 20 Abs. 2 RpflG (i.V.m. § 5 SächsJustOVO) richtet.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Beschluss vom 05.04.2016; Aktenzeichen 03 O 2877/15) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Leipzig vom 5.4.2016 abgeändert und der Klägerin ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt, wobei sie aus dem vorhandenen Vermögen einen Kostenbeitrag in Höhe von 12699,- EUR zu tragen hat. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Klägerin ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang bedürftig im Sinne des § 115 ZPO.
1. Über einzusetzendes Einkommen verfügt sie nicht. Der Senat nimmt insofern Bezug auf die Berechnung des LG vom 20.1.2016 (Bl. 131 PKH-Heft), die zu einem einzusetzenden Einkommen von 29,78 EUR gelangt, von dem freilich noch ein weiterer Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 30 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII abzuziehen ist, den das LG im Beschluss vom 9.5.2016 rechnerisch zutreffend mit 47,88 EUR ermittelt hat. Die von der Klägerin angegebene Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 21.600,- EUR ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sondern zählt zum Vermögen.
2. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ist die Verwertung dieser Lebensversicherung zumutbar. Die Frage, ob der Einsatz einer Lebensversicherung unzumutbar ist und eine Härte im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII darstellt, ist jeweils anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beantworten (BGH VersR 2011, 1028; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1917; OLG Stuttgart FamRZ 2008, 2290; FamRZ 2009, 1850; OLG Köln FamRZ 2004, 382; OLG Frankfurt FamRZ 2006, 135; OLG Zweibrücken FamRZ 2008, 524; Hanseatisches OLG Hamburg FamRZ 2001, 925; OLG Celle FamRZ 2007, 913; OLG Koblenz OLGR 2005, 887; Völker/Zempel in Prütting/Gehrlein ZPO 5. Aufl. § 115 Rn 41). § 90 Abs. 1 SGB XII geht von dem Grundsatz aus, dass das gesamte Vermögen einzusetzen ist. Die Verwertung einer Lebensversicherung kann eine Härte begründen, wenn diese unwirtschaftlich ist oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschweren würde. Die Umstände, die eine Härte begründen sollen, sind vom Antragsteller darzulegen.
a) Die Verwertung der Lebensversicherung stellt hier nicht deswegen eine Härte dar, weil sie unwirtschaftlich wäre. Ob dies unter Berücksichtigung des - hier nicht bekannten - Verhältnisses von Rückkaufswert und eingezahlten Beiträgen der Fall wäre, bedarf hier keiner Entscheidung, da jedenfalls die Möglichkeit einer Beleihung durch ein sog. Policendarlehen besteht (vgl. hierzu BGH VersR 2011, 1028).
b) Dass die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bei einer solchen Beleihung wesentlich erschwert würde, hat das LG mit zutreffenden Gründen verneint. Die Beschwerde lässt dies auch unbeanstandet. Sie macht vielmehr geltend, den Rückkaufswert aus der Lebensversicherung in absehbarer Zeit für den behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung (dessen Kosten sie mit 8000 - 10.000 EUR veranschlagt) und die Anschaffung eines behindertengerechten PKH (mit voraussichtlichen Kosten von 22.000,- EUR) einsetzen zu wollen.
a. Anders als die zuletzt genannten Kosten sind die Kosten für den behindertengerechten Hausumbau in voller Höhe anzusetzen. Nach §§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII muss Vermögen, das zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstückes bestimmt ist, dann nicht verwertet werden, wenn es für die Wohnung behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient. Diese Vorschrift konkretisiert den allgemeinen Unzumutbarkeitsgrundsatz mit Blick auf die Belange behinderter Menschen. Über den Wortlaut hinaus ist aber auch dasjenige Vermögen nicht zu verwerten, das nicht der Beschaffung eines behindertengerechten Hausgrundstückes, sondern dem Umbau eines bereits im Eigentum des Antragstellers dienenden Hausgrundstückes dient. Entscheidend ist in beiden Fällen, dass dem Antragsteller durch die Herausnahme aus der Verwertung die Möglichkeit gegeben werden soll, seine "Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken" (§ 1 SGB IX). Diesem Grundsatz widerspräche es, den Antragsteller im Rahmen der PKH auf den Weg zu verweisen, die Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in...