Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Pflichtverteidigers bei Terminsverhinderung des Wahlverteidigers
Leitsatz (redaktionell)
Die Tatsache allein, dass der Wahlverteidiger aus terminlichen Gründen verhindert ist, eine Hauptverhandlung wahrzunehmen, rechtfertigt die sofortige, ohne Anhörung des Angeklagten ungeprüfte Bestellung eines Pflichtverteidigers noch nicht.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Entscheidung vom 05.03.2009; Aktenzeichen 5a Ns 540 Js 3974/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten hin wird der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 05. März 2009, mit welchem Frau Rechtsanwältin S....... zur Pflichtverteidigerin bestellt wurde, aufgehoben.
Die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I. Der (neue) Wahlverteidiger des Beschwerdeführers, Herr Rechtsanwalt I....., hatte sich mit Telefax vom 04. März 2009 als Verteidiger angezeigt mit dem Antrag, den anberaumten Hauptverhandlungstermin (24. März 2009) zu verlegen, da er anderweitig gebunden sei.
Mit Verfügung vom 05. März 2009 stellte das Gericht fest, dass eine Verlegung untunlich sei und begründete dies; zur Sicherung des Verfahrens wurde mit Beschluss vom gleichen Tage eine Pflichtverteidigerin bestellt, ohne den Angeklagten oder seinen Wahlverteidiger dazu zu hören. Erst am 06. März 2009 machte das Gericht den Sachverhalt bekannt.
Mit Schriftsatz vom 09. März 2009 teilt der Wahlverteidiger nunmehr mit, den Hauptverhandlungstermin vom 24. März 2009 doch wahrnehmen zu können. Gleichzeitig legte er gegen die Bestellung von Frau Rechtsanwältin S....... als Pflichtverteidigerin Beschwerde ein.
Dieser Beschwerde wurde mit Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 10. März 2009 nicht abgeholfen. Am 06. März 2009 sei das Gericht in dieser eilbedürftigen Haftsache gehalten gewesen, schnellstmöglich eine anwaltliche Vertretung des Angeklagten im Hauptverhandlungstermin zu gewährleisten. Das Gericht habe den Angeklagten aus Zeitgründen hierzu vorher nicht anhören können, da es den Anhörungsschriftsatz noch in die polnische Sprache hätte übersetzen lassen müssen und gegebenenfalls die Antwort des Angeklagten ins Deutsche. Dies hätte alles zu einer weiteren erheblichen Verfahrensverzögerung geführt, da der vom Angeklagten gewählte Pflichtverteidiger noch vor dem Termin habe Akteneinsicht nehmen müssen. Auch § 143 StPO würde zu keiner anderen Beurteilung führen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II. Der Beschluss vom 05. März 2009 war aufzuheben.
Die Bestellung der Frau Rechtsanwältin S....... war zur Verfahrenssicherung nicht erforderlich. Zwar kann grundsätzlich ein Pflichtverteidiger auch neben einem Wahlverteidiger bestellt werden. Zum Zeitpunkt des Beschlusses hatte das Gericht jedoch noch über zwei Wochen Zeit bis zur angesetzten Berufungshauptverhandlung. Es ist nicht erkennbar, warum der Wahlverteidiger nicht bereits am 05. März 2009 zur Stellungnahme betreffend die Verfügung vom 05. März 2009 aufgefordert wurde, bis beispielsweise längstens zum 09. März 2009. Es stand eben gerade nicht fest, dass der Wahlverteidiger am 24. März 2009 nicht zur Verfügung steht, wie sich aus dessen Schriftsatz vom 09. März 2009 ergibt. Allein die Tatsache, dass der Wahlverteidiger aus terminlichen Gründen verhindert ist, eine Hauptverhandlung wahrzunehmen, gebietet zumindest die sofortige, ungeprüfte Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 141 Rdnr. 1 a).
Weiterhin ist nicht erkennbar, warum nicht Herr Rechtsanwalt R..... als bis dahin befasster Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt wurde. Dieser kannte das Verfahren und hätte bestenfalls ergänzender Akteneinsicht bedurft. Eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zum Angeklagten ist nicht (ausreichend) dargetan.
Es bleibt dem Vorsitzenden der Berufungskammer vorbehalten, über den Antrag von Rechtsanwalt I..... zu befinden, ihn dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2571213 |
StV 2010, 476 |