Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Anspruchs auf Minderjährigenunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. § 642 ZPO begründet die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts am allgemeinen Gerichtsstand des unterhaltsberechtigten Kindes nur, wenn jedenfalls auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Minderjährigenunterhalt schlüssig vorgetragen sind; fehlt es bereits hieran, so ist die (daneben auf Volljahrigenunterhalt gerichtete) Klage im Besonderen Gerichtsstand des § 642 ZPO nicht unbegründet, sondern schon unzulässig.
2. Ein Anspruch auf Minderjährigenunterhalt kann auch dann verwirkt sein, wenn die Vaterschaft des Unterhaltspflichtigten erst nach Entritt der Volljährigkeit des Kindes festgestellt wird.
Normenkette
BGB §§ 242, 1613 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Chemnitz (Urteil vom 13.03.2008; Aktenzeichen 2 F 0776/08) |
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass er der Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg beimisst und daher beabsichtigt, das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.
2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die am 14.7.1986 geborene Klägerin ist die nichteheliche Tochter des Beklagten, dessen Vaterschaft durch Urteil des AG - Familiengericht - Chemnitz vom 13.3.2008 (2 F 805/07) rechtskräftig festgestellt ist. Auf dieser Grundlage nahm die Klägerin den Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 9.5.2008 erstmals auf Unterhalt, auch für die Vergangenheit, in Anspruch und bat um Auskunft über das Einkommen des Beklagten von Juni 2007 bis einschließlich Mai 2008. Nachdem diese Auskunft nicht erteilt worden war, erhob die Klägerin entsprechende Stufenklage, wobei der - unbezifferte - Leistungsantrag klarstellte, dass Unterhalt rückwirkend ab Geburt der Klägerin verlangt werde.
Der Beklagte ist dem Anspruch entgegengetreten; er hat insbesondere die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt, nachdem Unterhalt zumindest für die Zeit der Minderjährigkeit der Klägerin aus seiner Sicht verwirkt sei, über Volljährigenunterhalt allein indes vor dem AG München (dem Wohnsitz des Beklagten) zu verhandeln sei. Das Familiengericht hat sich, nachdem es zwischenzeitlich von seiner Zuständigkeit ausgegangen war, mit dem angefochtenen Urteil der Auffassung des Beklagten angeschlossen und die Klage als unzulässig abgewiesen.
II. Die hiergegen eingelegte Berufung wird nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keinen Erfolg haben; der Senat beabsichtigt deshalb, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren und das Rechtsmittel im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen. Angesichts dessen kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug von vornherein nicht in Betracht (§§ 114, 119 ZPO).
1. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Familiengerichts, dass es an einer Sachentscheidungsbefugnis des angerufenen Gerichts fehlt, weil die Voraussetzungen für dessen örtliche Zuständigkeit, die sich hier nur aus § 642 ZPO ergeben könnten, im Ergebnis nicht vorliegen. Der Beklagte hat dies mehrfach gerügt, und die Klägerin hat trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises ausdrücklich keinen Verweisungsantrag gestellt. Bei dieser Sachlage kann die Klage nur als unzulässig verworfen werden; dass das Familiengericht sich zwischenzeitlich selbst als zuständig angesehen hat und erst im Verlauf des ersten Rechtszugs von dieser Ansicht abgewichen ist, ändert daran nichts.
Denn ein Zwischenurteil über die Frage der örtlichen Zuständigkeit, welches das Familiengericht gebunden hätte und isoliert anfechtbar gewesen wäre (vgl. §§ 303, 280 Abs. 2 ZPO), ist hier nicht ergangen; dass das Gericht im Übrigen bei Zwischenentscheidungen - wie im vorliegenden Fall gem. § 127a ZPO zum Prozesskostenvorschuss - seine Zuständigkeit inzident geprüft und bejaht hat, führt eine entsprechende Bindungswirkung ebenso wenig herbei wie eine sonst geäußerte Rechtsmeinung. Das Gericht muss auf eine Meinungsänderung nur hinweisen, damit die Parteien sich in ihrem Prozessverhalten darauf einstellen können; das ist hier jedoch ordnungsgemäß geschehen.
2. In der Sache ist das AG Chemnitz unzuständig. § 642 ZPO begründet einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Kindes für Verfahren, "die die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils ... gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen". Mindestvoraussetzung der Vorschrift ist also, dass Streitgegenstand des Verfahrens auch Minderjährigenunterhalt ist; dass zusätzlich Volljährigenunterhalt gefordert wird, stellt, weil beide Unterhaltsformen Ausprägung eines einheitlichen Streitgegenstands sind, die über § 642 ZPO begründete Zuständigkeit ebenso wenig in Frage wie die Tatsache, dass das klagende Kind bereits volljährig ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 1012 f.). Wird allerdings nur ein Anspruch auf Volljährigenunterhalt schlüssig vorgetragen, so ist der Rechtsstreit hierüber zulässigerweise lediglich am Wohnsitz des Beklagten zu führen; so liegt der Fall hier.
a) Der ...