Leitsatz (amtlich)
1. Das Zurücklassen eines Vaginaltupfers nach Versorgung eines Dammrisses stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn vor dem Eingriff nicht alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen ein solches Versäumnis getroffen wurden. Ob es zugleich in den vollbeherrschbaren Risikobereich der Arztseite fällt, kann dann offen bleiben.
2. Die Aufklärung bei der Versorgung eines Dammrisses braucht nicht darauf erstreckt zu werden, dass der Eingriff alternativ im Kreißsaal oder im Operationssaal erfolgen kann. Auch eine Aufklärung darüber, dass es bei einem solchen Eingriff zum Zurücklassen von Tupfern in der Wunde kommen kann, ist nicht geboten.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 3113/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.03.2019 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahren auf 35.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die am xx.xx.1977 geborene Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung. Sie stellte sich am 27.11.2013 im Hause der Beklagten vor und wurde um ca. 20.30 Uhr mit Hilfe einer Hebamme spontan von einem Mädchen entbunden. Bei der Geburt kam es zu einem Dammriss Grad III a. Die hinzugezogene Ärztin S. M. erklärte ihr, dass der Dammriss genäht werden müsse und stellte sie vor die Wahl, dies im Operationssaal oder vor Ort im Kreißsaal durchzuführen. Die Klägerin willigte in den Eingriff im Kreißsaal ein. Die Klägerin litt anschließend unter Schmerzen im Rücken, Becken, Damm- und Scheidenbereich und erhielt Schmerzmittel. Es erfolgten Untersuchungen am 29.11. und 01.12.2013, und die Klägerin wurde am 02.12.2013 entlassen. Am 04.12.2013 fand die Hebamme bei der klinischen Untersuchung einen hühnereigroßen Tupfer im Scheideneingang und entfernte diesen. Die Klägerin stellte sich im August 2013 u. a. wegen Beschwerden am Steißbein bei einem Arzt vor und wurde ab Okober 2013 osteopathisch behandelt. Am 12.05.2014 wurde eine Subluxation des Steißbeines festgestellt.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe bei der Geburt eine Steißbeinluxation erlitten. Die Behandler der Beklagten hätten es verabsäumt, aufgrund ihrer Beschwerden weitere Befunde zu erheben und die Steißbeinluxation festzustellen. Wären entsprechende Untersuchungen vorgenommen worden, wäre bereits ein halbes Jahr früher eine korrekte Diagnose getroffen worden und ihr wären zusätzliche Schmerzen erspart geblieben. Zudem sei der Dammriss nicht korrekt versorgt worden. Sie sei ohne Schmerzmittel im Kreißsaal operiert worden. Des Weiteren sei grob fehlerhaft ein Tupfer zurückgelassen worden. In der Folge habe sie unter mehrtägigen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sowie Wundheilungsverzögerungen gelitten und es sei eine situationsbedingte Inkontinenz eingetreten. Sie leide auch unter Sensibilitätsstörungen im Scheidenbereich. Die ausführende Fachärztin M. habe nicht über die ausreichende Qualifikation und Erfahrung verfügt. Der Kreißsaal sei auch nicht der geeignete Ort für den Eingriff gewesen, da dort regelmäßig keine aseptischen Bedingungen vorlägen. Wäre sie hierüber ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte sie sich für eine Versorgung im Operationssaal entschieden.
Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen T. eingeholt und die Klage mit Urteil vom 14.09.2018 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie meint, das Landgericht habe einen groben Behandlungsfehler beim Zurücklassen des Tupfers rechtsfehlerhaft verneint. Ein solcher Fehler dürfe einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen. Zudem habe sich ein vollbeherrschbares Risiko verwirklicht. Der siebentägige Verbleib des Tupfers in der Vagina habe die geschilderten Beschwerden verursacht. Das Landgericht habe den Vortrag übergangen, dass für die operative Versorgung ihres Dammrisses III. Grades ein Facharzt mit hinreichender Erfahrung zur Verfügung zu stehen habe, was nicht der Fall gewesen sei. Die Aufklärung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, eine Operation im Kreißsaal sei schon keine echte Behandlungsalternative gewesen. Des Weiteren sei sie nicht darüber informiert worden, dass es zum medizinischen Standard gehöre, Instrumente und Material zu zählen, aber dieser Standard üblicherweise nicht beachtet werde. Unverständlich sei, dass der Gutachter von einer Anästhesie mit Xylocitin ausgegangen sei, obwohl dieser Umstand streitig gewesen sei. Eine entsprechende Dokumentation liege ebenfalls nicht vor. Das Landgericht habe zu der Behauptung der Klägerin, sie habe die Steißbeinluxation unter der Geburt erlitten, keinen Beweis erhoben. Der Gutachter habe die entsprechenden Bilder nicht ausgewer...