Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspruchsverwerfung. genügende Entschuldigung. Erscheinenspflicht. Entbindungsantrag
Leitsatz (amtlich)
›Der Bußgeldrichter muss dem Antrag eines Betroffenen, ihn von der gesetzlichen Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu entbinden, entsprechen, wenn sich der Betroffene zur Sache eingelassen oder erklärt hat, keine (weiteren) Angaben zu machen, und seine Anwesenheit bei Abwägung zwischen der Aufklärungspflicht des Gerichts zur Wahrheitserforschung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht erforderlich ist.‹
Verfahrensgang
AG Pirna (Entscheidung vom 17.12.2002; Aktenzeichen 3 OWi 144 Js 59522/02) |
Gründe
I.
Das Landratsamt des Landkreises Sächsische Schweiz hatte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 10. September 2002 eine Geldbuße von 125,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Pirna durch Urteil vom 17. Dezember 2002 ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil der Betroffene ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben sei und er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Verletzung von Verfahrensvorschriften beanstandet und die Verkennung des Rechtsbegriffs der "genügenden Entschuldigung" durch das Amtsgericht rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Das zulässige, insbesondere als Formalrüge den Erfordernissen der § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Rechtsmittel hat Erfolg. Der Betroffene war entschuldigt (§ 74 Abs. 2 OWiG), denn das Amtsgericht hatte rechtsfehlerhaft gegen seine Verpflichtung verstoßen, dem Entbindungsantrag gemäß § 73 Abs. 2 OWiG zu entsprechen.
Nach dieser Vorschrift entbindet das Bußgeldgericht einen Betroffenen auf seinen Antrag hin von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist.
Die Entscheidung über den Entbindungsantrag ist dabei nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt; vielmehr ist es verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (BayObLG DAR 2002, 133, 134; Senatsbeschluss vom 11. Februar 2003 - Ss (OWi) 607/02 -; Göhler OWiG 12. Aufl. § 73 Rdn. 8).
III.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 02. Dezember 2002 (Bl. 27/28 dA) hatte der Betroffene einen Entbindungsantrag gestellt und bereits eingeräumt, Fahrer des überwachten Fahrzeuges gewesen zu sein. Zugleich hatte er sich - wenngleich nicht umfassend - zur Sache geäußert und erklärt, dass er in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben machen werde. Das Ziel seines Einspruches sei das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes. Insoweit hatte er vortragen lassen, dass er zu 80 % schwerbehindert sei und deshalb öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen könne. Bei einer jährlichen Fahrleistung von 60.000 km sei er zudem beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Auch könne er nicht vier Wochen zusammenhängend Urlaub machen, weshalb das Fahrverbot für ihn eine außergewöhnliche Härte darstelle.
Mit weiterem Verteidigerschriftsatz vom 13. Dezember 2002 hatte der Betroffene seine Angaben ergänzt und weiter zu bedenken gegeben, bei Wahrnehmung des Verhandlungstermins zwei Arbeitstage zu verlieren und zusätzlich Übernachtungskosten aufwenden zu müssen. Das Festhalten an seiner Erscheinenspflicht sei daher unverhältnismäßig. Zugleich wiederholte er seinen Entbindungsantrag vom 02. Dezember 2002.
Aufgrund dieses Vertrags waren die ersten beiden Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG erfüllt. Bei der Beurteilung, ob die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte gleichwohl erforderlich war, hätte das Amtsgericht zwischen der Aufklärungspflicht zur Wahrheitserforschung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abwägen müssen.
Diesbezüglich sind Ausführungen des Amtsgerichts weder den Entscheidungsgründen des angefochtenen Verwerfungsurteils noch sonst der dem Senat vorliegenden Verfahrensakte zu entnehmen. Es erscheint allerdings naheliegend, dass der dem Betroffenen entstehende Aufwand bei Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins in keinem vernünftigen Verhältnis zur allein rechtlich - die Verweigerung weiteren Sachvortrags ist vom Betroffenen bereits angekündigt - zu beurteilenden Frage eines Fahrverbotes steht.
Jedenfalls lässt sich das Beharren auf der persönlichen Erscheinenspflicht nicht mit der Erwägung des Amtsgerichts rechtfertigen, dass "im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen selbst" ihm Gelegenheit eingeräumt werden solle, zum Ergebnis eines etwaigen Augenscheintermins p...