Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Gründe eines Verwerfungsurteils
Leitsatz (redaktionell)
1. Verwirft das Gericht den Einspruch, weil der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist, so hat es sich in dem Urteilsgründen damit auseinander zu setzen, warum es einem Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entsprochen hat.
2. Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, so hat das Gericht einem Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entsprechen.
Verfahrensgang
AG Löbau (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen 5 OWi 450 Js 17147/04) |
GenStA Dresden (Entscheidung vom 07.06.2004; Aktenzeichen 31 OWi Ss 141/05) |
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid des Landratsamtes des Landkreises Löbau-Zittau vom 07. Juni 2004 ist dem Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h eine Geldbuße von 100,00 Euro auferlegt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Löbau durch Urteil vom 04. November 2004 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene, ohne von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden zu sein, der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts; er macht geltend, das Amtsgericht habe ihn zu Unrecht vom persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbunden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts Löbau vom 04. November 2004 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Löbau zurückzuverweisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge Erfolg.
1. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht weder in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2004 noch in den Urteilsgründen dargelegt hat, warum es dem vom Betroffenen gestellten Entbindungsantrag nicht entsprochen hat. Zwar konnte das Amtsgericht den am 28. Oktober 2004 zulässig gestellten Antrag auf Entbindung von der Erscheinungspflicht - wie geschehen - ohne Begründung ablehnen. Spätestens im Urteil wäre das Gericht jedoch gehalten gewesen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum es dem Antrag des Betroffenen nicht entsprechen konnte (BayObLG, DAR 2001, 371; BayObLG, DAR 2000, 578; OLG Dresden, ZfSch 2003, 374; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 73 Rdn. 16). Anderenfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht in der Lage, zu prüfen, ob das Amtsgericht in rechtsfehlerfreier Weise den Entbindungsantrag des Betroffenen abgelehnt hat.
2. Unabhängig davon hat das Amtsgericht aber auch die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG verkannt. Nach dieser Bestimmung entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklär: hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass im Gegensatz zur früheren Rechtslage die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (BayObLG, DAR 2001, 371; OLG Dresden, ZfSch 2003, 274; Göhler, aaO., § 73 Rdn. 5). Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann die Entscheidung des Amtsgerichts keinen Bestand haben. Der Betroffene hat sich teilweise zur Sache geäußert und die Fahrereigenschaft eingeräumt. Darüber hinaus hat er - über seinen Verteidiger - erklärt, sich in der Hauptverhandlung weder zur Sache noch zu seinen persönlichen Verhältnissen zu äußern. Damit ist die erste Voraussetzung des § 73 Abs. 2 OWiG erfüllt. Ferner war die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht geboten. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen ist zwischen der Aufklärungspflicht zur Wahrheitserforschung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuwägen (Göhler, aaO., § 73 Rdn. 8). Der Betroffene hat seine Fahrereigenschaft zugestanden und darüber hinaus vor der Hauptverhandlung bindend erklärt, dass er sich zur Sache nicht weiter äußern werde. Danach war eine Sachaufklärung durch das persönliche Erscheinen des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht zu erwarten.
Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Löbau zurückverwiesen, § 79 Abs. 6 OWiG.
Fundstellen
Haufe-Index 2571183 |
DAR 2005, 460 |