Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschluss, durch den ein Antrag des Klägers auf Bestellung eines Prozesspflegers für die führungslose beklagte GmbH abgelehnt wird, ist innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO anfechtbar.
2. Die Auslegung von Prozesserklärungen hat sich daran zu orientieren, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse der Partei entspricht (Anschluss an BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013, IX ZB 229/11, Rn. 30).
3. Der Wegfall der Prozessfähigkeit ist für einen Rechtsstreit ohne Bedeutung, wenn die nicht mehr prozessfähige Partei einem Rechtsanwalt wirksam Prozessvollmacht erteilt hat, weil die Vollmacht nach § 86 ZPO weiter wirkt. Dies gilt auch dann, wenn bereits vor Klageerhebung kein gesetzlicher Vertreter mehr vorhanden ist, aber eine bereits vor Wegfall der Prozessfähigkeit erteilte Prozessvollmacht fortbesteht; eine solche Partei ist bei fortwirkender Prozessvollmacht wirksam vertreten.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 6 O 1670/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 24.01.2020 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
I. Der Kläger hat sich im Jahr 2013 als Treuhandkommanditist mit einem Beteiligungsbetrag i.H.v. 21.400,00 EUR an der V. GmbH & Co. ... KG beteiligt. Vermittelt wurde die Beteiligung durch J ... J .... Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Vertriebsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, auf Schadensersatz in Anspruch, da diese Pflichten aus einem zwischen den Parteien zu Stande gekommenen Anlageberatungsvertrag verletzt habe.
Geschäftsführer der Beklagten war zuletzt C ... P ... Auf ein vorgerichtliches Forderungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers zeigte die Rechtsanwaltsgesellschaft B ... Rechtsanwälte B ... E ... M ... K ... PartGmbB (im Folgenden B ...) mit Schreiben vom 07.02.2019 (Anlage K 30) an, die Beklagte, diese vertreten durch den Geschäftsführer C ... P ..., anwaltlich zu vertreten; zugleich wurde die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Am 22.02.2019 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass der - zuletzt einzige - Geschäftsführer der Beklagten C ... P ... ausgeschieden sei.
Am 02.12.2019 erhob der Kläger Klage. Zugleich beantragte der Kläger, für die Beklagte einen Prozesspfleger nach § 57 ZPO zu bestellen. Da nicht absehbar sei, wann und ob überhaupt ein neuer Geschäftsführer bestellt werde, liege Gefahr in Verzug vor. Ohne eine Vertretung der Beklagten sei zu befürchten, dass die Beklagte in Insolvenz gehe, ein Urteil vom Kläger nicht rechtzeitig erlangt werden könne und es sei die Vollstreckung gefährdet.
Unter dem 03.01.2020 wies das Landgericht darauf hin, dass der Hinweis des Klägers auf eine Zeitverzögerung und die ihm entstehenden Nachteile im Falle einer möglichen Insolvenz der Beklagten nicht ausreichten, um eine Gefahr in Verzug im Sinn des § 57 ZPO darzulegen.
Mit Beschluss vom 24.01.2020 wies das Landgericht den Antrag auf Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die Beklagte zurück, da es dem Kläger obliege, die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit herbeizuführen. Es sei nicht ersichtlich, dass ein hierdurch entstehender zeitlicher Aufschub mit erheblichen Nachteilen für den Kläger verbunden wäre. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07.02.2020 zugestellt.
Zeitgleich mit dem Erlass des vorgenannten Beschlusses veranlasste das Landgericht die Zustellung der Klage an die Kanzlei B .... Diese zeigte an, die Beklagte anwaltlich zu vertreten, und vertrat die Auffassung, dass die Klage wegen der Führungslosigkeit der Beklagten unzulässig sei. Die Klage sei auch nicht begründet, da der Vermittler J ... bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Kommanditbeteiligung nicht als Vertreter der Beklagten aufgetreten und deshalb kein Beratungsvertrag zwischen den Parteien zu Stande gekommen sei.
Am 12.02.2020 ging beim Landgericht ein Schriftsatz des Klägervertreters ein, in dem dieser auf den Beschluss des Landgerichts vom 24.01.2020 Bezug nahm. Das weitere Fehlen eines Geschäftsführers zeige, dass die Beklagte den Umstand der Führungslosigkeit nutze, um sich auf Dauer den von Anlegern geltend gemachten Schadensersatzansprüchen zu entziehen. Es drohe die Verjährung der Ansprüche; diese könne nur mittels Klageerhebung gehemmt werden. Der Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO werde deshalb aufrechterhalten.
Mit Schriftsatz vom 02.04.2020 verlangte der Klägervertreter erneut die Bestellung eines Prozesspflegers. Hierauf teilte das Landgericht mit, dass das Gericht nicht zum wiederholten Maße über den Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers entscheiden werde, da über diesen Antrag bereits durch Beschluss entschieden worden sei. Der Kläger möge gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel einlegen oder einen neuen Antrag auf einer n...