Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung von Freibeträgen bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Bindung der Gerichte an die Durchführungsbestimmungen zum Sozialhilferecht bei der Bedürftigkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Die Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gibt den Zivilgerichten einen Anhaltspunkt für die Bemessung von Freibeträgen bei der Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe. Die Verordnung bindet die Zivilgerichte aber nicht.
Normenkette
FamFG § 76 ff.; ZPO § 115 Abs. 1 S. 3, § 120; SGB XII §§ 82, 96
Verfahrensgang
AG Oschatz (Beschluss vom 26.08.2010; Aktenzeichen 2 F 89/06) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Oschatz vom 26.8.2010 - 2 F 89/06, aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung von Ratenzahlungen.
Das Familiengericht bewilligte dem Beschwerdeführer für das zugrunde liegende Scheidungsverfahren mit Beschluss vom 3.5.2006 ratenfreie Prozesskostenhilfe. Nach Beendigung des Scheidungsverfahrens (2007) ist das Arbeitseinkommen des Beschwerdeführers erheblich gestiegen. Hintergrund ist, dass der in S. in einem eigenen Haus lebende Beschwerdeführer eine neue Arbeit in H ... bei F ... aufgenommen hat. Dort hat er ein Zimmer (210 EUR) gemietet. Die einfache Entfernung zwischen beiden Orten beträgt 460 km. Der Beschwerdeführer fährt alle zwei Wochen nach Hause.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 26.8.2010 ordnete das Familiengericht die Zahlung monatlicher Raten von 135 EUR an. Zur Begründung meinte das Familiengericht, die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich im Ergebnis erheblich verbessert. Die Kosten für die Fahrten zwischen H ... und S. und der doppelten Haushaltsführung im Übrigen seien nicht abzugsfähig. So hat es auch die vom Familiengericht beteiligte Staatskasse gesehen.
Gegen den am 31.8.2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16.9.2010 Beschwerde eingelegt.
II. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob auf die Beschwerde das bis zum 31.8.2009 oder das danach geltende Verfahrensrecht (Art. 111 Abs. 1 FGG-Reformgesetz) anzuwenden ist. Inhaltlich ergeben sich keine Abweichungen.
A. Die nach (§ 76 Abs. 2 FamFG,) §§ 127 Abs. 2 S. 3, 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Familiengericht durfte die Ausgangsentscheidung nicht abändern.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers erlauben keine Ratenzahlungen. Denn das nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzende monatliche Einkommen beträgt weniger als 15 EUR. Daher kann auch dahinstehen, ob die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers sich ggü. dem Zeitpunkt der ratenfreien Prozesskostenhilfebewilligung wesentlich verbessert haben (§ 120 Abs. 4 ZPO). Im Einzelnen:
Das Familiengericht hat das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen mit insgesamt 2.412 EUR bemessen. Der Beschwerdeführer wendet sich hiergegen nicht. Auch der Senat vermag keinen Fehler zum Nachteil des Beschwerdeführers zu erkennen.
Abzuziehen hiervon sind Partei- und Erwerbstätigenfreibetrag (395 EUR und 180 EUR, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 lit. a) und Nr. 1 lit. b ZPO).
Das Familiengericht hat einen weiteren Abzugsbetrag von insgesamt 1.105 EUR anerkannt. Diesen Betrag bringt der Beschwerdeführer monatlich zur Tilgung von Darlehen auf. Das Familiengericht hat die Zahlungen teilweise als besondere Belastungen (§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO), teilweise als berücksichtigungsfähige Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO) behandelt. Die Staatskasse hat hiergegen nichts erinnert. Auch der Senat hat keine Bedenken gegen den Abzug dieser Kosten.
Übersehen hat das Familiengericht, dass ein Teil der Stromkosten abzugsfähig ist. Denn soweit Strom für Heizzwecke benötigt wird, sind Kosten hierfür abzugsfähig und nicht vom Parteifreibetrag abdeckt (vgl. nur Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 115 Rz. 34). Der Beschwerdeführer bezieht sog. Nachtstrom (monatlich 90 EUR). Nach Auskunft des vom Beschwerdeführer beauftragten Energieversorgers handelt es sich beim Nachtstrom hier um ausschließlich für Heizzwecke zur Verfügung gestellten Strom (Nachtspeicherofen, Wärmepumpen). Im Übrigen machte der Beschwerdeführer auch keine sonstigen Heizkosten geltend.
Abzugsfähig als Kosten der Unterkunft sind auch die Kosten für Grundsteuer und Schornsteinfeger (21,12 EUR und ca. 5 EUR). Der Beschwerdeführer macht weitere Kosten (GEZ, Wasser, Abfallentsorgung) geltend. Inwieweit diese Kosten berücksichtigungsfähig oder bereits im Parteifreibetrag enthalten sind, ist teilweise streitig (namentlich beim Wasser). Der Senat kann dies, weil nicht entscheidungserheblich, offen lassen.
An Versicherungsbeiträgen sind jedenfalls abzuziehen die Kosten für die Wohngebäude- und die Haftpflichtversicherung, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. a) ZPO, § 82 Abs. 2 SGB XII (12,78 EUR; 5,88 EUR).
Abzugsfähig sind darüber hinaus die Kosten der doppelten Haushaltsführung. AG u...