Leitsatz (amtlich)
Ein nach § 121 ZPO beigeordneter Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit vorprozessual und in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren tätig geworden ist, kann auch ggü. der Staatskasse nur eine anteilig gekürzte Verfahrensgebühr jedenfalls dann abrechnen, wenn er die Geschäftsgebühr für seine außergerichtliche Tätigkeit tatsächlich erhalten hat; § 58 Abs. 2 RVG steht dem nicht entgegen.
Verfahrensgang
AG Meißen (Beschluss vom 09.09.2008; Aktenzeichen 6 F 0662/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 26.9.2008 gegen den Beschluss des AG - FamG - Meißen vom 9.9.2008 - 6 F 60/07 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Dem Beklagten ist für ein inzwischen durch Klagerücknahme beendetes Trennungsunterhaltsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die beschwerdeführende Rechtsanwältin beigeordnet worden, die den Beklagten in der gleichen Sache auch schon vorgerichtlich vertreten und hierfür eine Geschäftsgebühr i.H.v. 583,70 EUR erhalten hatte. Als aus dem Gerichtsverfahren entstandene Gebühren rechnete die Beschwerdeführerin sodann ggü. der Staatskasse 1,3 Verfahrensgebühren und 1,2 Terminsgebühren nach einem Streitwert von 10.314 EUR nebst Postpauschale und 19 % Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 755,65 EUR ab; die erhaltene Geschäftsgebühr ist dabei nicht berücksichtigt. Bei der Abrechnung der entsprechenden Wahlanwaltsvergütung ggü. der gem. § 269 ZPO mit den Kosten belasteten Klägerin ließ die Beschwerdeführerin sich hingegen die o.g. Geschäftsgebühr zur Hälfte (291,85 EUR) anrechnen; aus der so ermittelten Regelvergütung i.H.v. 1.241,35 EUR brutto ergab sich - nach Abzug des ggü. der Staatskasse abgerechneten Betrags - ein Festsetzungsanspruch gegen die Klägerin über 485,70 EUR. Zu den Einzelheiten der Berechnung wird auf den Vergütungsantrag vom 21.1.2008 (Bl. 20 Beiheft Prozesskostenhilfe) Bezug genommen; das FamG hat die geltend gemachten Beträge antragsgemäß festgesetzt.
Gegen den Beschluss zu Lasten der Staatskasse hat der Bezirksrevisor gem. § 56 Abs. 1 RVG Erinnerung eingelegt; das FamG hat daraufhin die ggü. der Staatskasse abgerechnete Verfahrensgebühr um 291,85 EUR netto und den Vergütungsanspruch der Beschwerdeführerin dementsprechend insgesamt auf 408,35 EUR brutto gekürzt. Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
II.1. Einem Rechtsanwalt, der einen Mandanten in derselben Sache außergerichtlich und in einem anschließenden Gerichtsverfahren vertreten hat, wird wegen des dadurch reduzierten Gesamtaufwands zur Betreibung des Verfahrens und zur Informationsbeschaffung eine nach Nr. 2400 ff. des Vergütungsverzeichnisses - VV - zum RVG verdiente Geschäftsgebühr grundsätzlich zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet (Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV). Nach dem klaren, von der Rechtsprechung des BGH inzwischen mehrfach in diesem Sinne bekräftigten Wortlaut der Anrechnungsvorschrift verringert sich mithin nicht die Geschäftsgebühr, sondern die im nachfolgenden Rechtsstreit anfallende Verfahrensgebühr. Das betrifft zwar zunächst nur das Vergütungsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, müsste also nicht notwendig auch den Erstattungsanspruch der obsiegenden Prozesspartei ggü. dem unterlegenen Gegner und damit das Kostenfestsetzungsverfahren berühren. Gerade diese letzte Schlussfolgerung bejaht indes die vorgenannte Judikatur (BGH FamRZ 2008, 878; FamRZ 2008, 1346; FamRZ 2008, 2023) und begründet dies damit, dass die Verfahrensgebühr nicht erst in vollem, d.h. ungekürztem Umfang entstehe und dann infolge der Anrechnung der Geschäftsgebühr teilweise wieder erlösche, sondern von vornherein nur in gekürzter Höhe zur Entstehung gelange. Hindert mithin bei identischem Streitgegenstand der dem Rechtsanwalt aus seiner vorprozessualen Tätigkeit erwachsene Anspruch auf eine Geschäftsgebühr bis zur Höhe der Anrechnung bereits die Entstehung einer Verfahrensgebühr, so kann die - eben insoweit erst gar nicht begründet - Verfahrensgebühr auch nicht in der Kostenfestsetzung berücksichtigt werden. Dann aber scheidet eine Festsetzung nicht nur ggü. dem Prozessgegner aus, der vom Mandanten dem Rechtsanwalt nicht geschuldete Gebühren auch nicht zu erstatten braucht, sondern aus den nämlichen Erwägungen heraus ebenso ggü. der Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfevergütung des Rechtsanwalts.
2. Demgegenüber lässt sich ein der Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht aus § 58 Abs. 2 RVG ableiten. Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass der beigeordnete Rechtsanwalt eine Zahlung auf die anwaltliche Tätigkeit erhalten hat, die Gegenstand seiner Beiordnung war; stände ihm für diesen Fall eine Wahlvergütung zu, die höher liegt als der aus der Beiordnung erwachsene Anspruch gegen die Staatskasse, so erlaubt § 58 Abs. 2 RVG die Verrechnung der Zahlung auf die Differenz. Die Zahlung auf eine außergerichtliche Geschäftsgebühr ist aber keine Leistung au...