Leitsatz (amtlich)
Im vertraglosen Auslieferungsverkehr (hier: Auslieferung an Argentinien) gelten auch dann die Fristen des § 16 Abs. 2 IRG für die Vorlage des Auslieferungsersuchens und der Auslieferungsunterlagen, wenn der ersuchende Staat im umgekehrten Fall kürzere Fristen setzt. Das Prinzip der Gegenseitigkeit (§ 5 IRG) findet für die Fristberechnung keine Anwendung.
Tenor
Eine Verlängerung der Frist zur Vorlage der Auslieferungsunterlagen ist nicht veranlasst.
Die Frist beträgt drei Monate seit dem Tag der Festnahme des Verfolgten.
Gründe
I.
Der Senat hat gegen den am 27. Februar 2014 aufgrund einer Interpol-Ausschreibung der argentinischen Behörden festgenommenen Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft zum Zwecke seiner Auslieferung an die Argentinische Republik angeordnet.
Mit Verbalnote vom 26. März 2014 beantragt die Botschaft der Argentinischen Republik die Frist zur Beibringung der Auslieferungsunterlagen um zehn Tage zu verlängern.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat (höchst vorsorglich) einen entsprechenden Antrag gestellt.
II.
Einer Verlängerung der Frist, innerhalb derer die Auslieferungsunterlagen eingehen müssen, bedarf es nicht. Im Auslieferungsverkehr mit der Argentinischen Republik gilt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 IRG die Frist von drei Monaten.
Der Auslieferungsverkehr mit der Argentinischen Republik erfolgt vertraglos. Gemäß Ziffer I.4 des RiVASt-Länderteils für die Argentische Republik wird die vorläufige Auslieferungshaft aufgehoben, wenn das Auslieferungsersuchen und die Unterlagen nicht innerhalb von 30 Tagen nach der Verhaftung bei der argentinischen Regierung eingehen. Die Frist kann auf Antrag zehn Tage verlängert werden.
Aufgrund dieser - für deutsche Auslieferungsersuchen an die Argentinische Republik geltenden - Regelung wird in der Literatur die Meinung vertreten, eine einseitig festgelegte kürzere Frist könne unter Umständen im Rahmen der Gegenseitigkeit Bedeutung gewinnen (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 5. Aufl. § 16 IRG Rdnr. 29). Dem wird jedoch mit Recht entgegen gehalten, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit (§ 5 IRG) für die Fristberechnung keine Anwendung findet (Grützner/Pötz/Kreß-Böhm, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen 3. Aufl. § 16 IRG Rdnr. 31).
Das Prinzip der Gegenseitigkeit erstreckt sich nicht auf die Ausgestaltung des Auslieferungsverfahrens (Grützner/Pötz/Kreß-Böhm, § 16 IRG Rdnr. 9; OLG Karlsruhe MDR 1989, 764). Es ist für die Zulässigkeit vorbereitender Maßnahmen wie der Auslieferungshaft, der vorläufigen Auslieferungshaft und der vorläufigen Festnahme nur insofern von Bedeutung, als die Auslieferung, deren Vorbereitung und Sicherung sie dienen sollen, gemäß §15 Abs. 2 IRG nicht von vornherein unzulässig erscheinen darf (vgl. auch BGHSt 20, 152 bereits für Auslieferungen nach dem Deutschen Auslieferungsgesetz).
Nach § 5 IRG ist eine Auslieferung nur zulässig, wenn erwartet werden kann, dass der ersuchende Staat einem vergleichbaren deutschen Ersuchen entsprechen würde. Es kommt deshalb in Form einer Prognoseentscheidung darauf an, ob der ersuchende Staat ein vergleichbares Auslieferungsersuchen bewilligen würde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beantwortung dieser Frage ist frühestens die Entscheidung des Oberlandesgerichts gemäß § 32 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung (vgl. Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 16 IRG Rdnr. 13). Dabei kommt es allein auf die materielle innerstaatliche Auslieferungsbefugnis und den politischen Auslieferungswille des ersuchenden Staates an, nicht jedoch auf Besonderheiten im Auslieferungsverfahren des ersuchten Staates. Deshalb kann der ersuchte Staat sein Auslieferungsverfahrensrecht auch dann anwenden, wenn es großzügiger und auslieferungsfreundlicher ist, als das des ersuchenden Staates (Grützner/Pötz/Kreß-Vogel, § 5 IRG Rdnr. 15; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 5 Rdnr. 7 jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 6753477 |
NStZ-RR 2014, 225 |