Leitsatz (amtlich)
Den Mieter eines Textileinzelhandelsgeschäft trifft eine vorvertragliche Aufklärungspflicht darüber, dass er sich die Möglichkeit des Verkaufs ausschließlich einer einzigen Textilmarke offen halten möchte, wenn dem Mieter vom Vermieter vor Vertragsschluss erklärt wird, der Vermieter hege Bedenken gegen den Verkauf dieser Marke. Erweckt der Mieter in dieser Situation gegenüber dem Vermieter der Eindruck, er werde eine Vielzahl von Marken anbieten, von denen die problematische Marke nur eine ist, verletzt er seine vorvertragliche Aufklärungspflicht.
Verfahrensgang
LG Zwickau (Urteil vom 30.12.2011; Aktenzeichen 4 O 87/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG Zwickau, 4. auswärtige Zivilkammer in Plauen, vom 30.12.2011 (4 O 87/10) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des LG Zwickau, 4. auswärtige Zivilkammer in Plauen, vom 30.12.2011 (4 O 87/10) wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.280 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) auf Räumung gewerblich genutzter Räume nach außerordentlicher Kündigung und Anfechtung wegen arglistiger Täuschung des Mietvertrages in Anspruch. Die ursprünglich gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Räumungsklage hat die Klägerin bereits in erster Instanz zurückgenommen.
Die Klägerin und die Beklagte zu 1) schlossen am 28.09./2.10.2009 einen Mietvertrag (Anlage K 1) über die Ladenfläche 37 im Einkaufscenter "xxx" in der xxxstraße in xxx. Zu diesem Mietvertrag schlossen sie einen ersten Nachtrag vom 21.10./16.11.2009 (Anlage K 1). Der Mietvertrag war befristet auf die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 30.9.2014, wobei der Beklagten zu 1) als Mieterin zwei Optionen zur Verlängerung um je fünf Jahre eingeräumt wurden. Die monatliche Bruttogesamtmiete betrug 1.669,57 EUR.
Zur Anbahnung des Mietvertrages kam es dadurch, dass der Zeuge M, ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1), sich auf ein Inserat beim Centermanagement, konkret bei der Zeugin Mg, meldete. Der Zeuge M trat bis zum Tag der Eröffnung des Ladengeschäfts, dem 29.10.2009, unter dem Namen "Kaiser" auf. Am 22.9.2009 kam es zu einem Besichtigungstermin im Mietobjekt, zu welchem eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1) das Schreiben der Beklagten zu 1) an das Centermanagement vom 18.9.2009 (Anlage K 6) mitbrachte. Im Nachgang zum Besichtigungstermin kam es zu einem Telefonat zwischen dem Centermanager, dem Zeugen G, und dem Zeugen M, dessen Inhalt zwischen den Parteien im Einzelnen strittig ist. Jedenfalls erklärt der Zeuge G dem Zeugen M, die Geschäftsleitung der Klägerin habe Bedenken betreffend den Verkauf von Textilien der Marke "Thor Steinar". Vor diesem Hintergrund sei es erforderlich, dass die Beklagte zu 1) im Rahmen eines gesonderten Schreibens auf die Umstände betreffend den Verkauf der Marke "Thor Steinar" eingehen möge. Ein entsprechendes Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) vom 1.10.2009 (Anlage K 7) wurde von den Mitarbeitern der Beklagten zu 1) zum Übergabetermin für das Mietobjekt am 2.10.2009 mitgebracht. Ebenso überreichten sie an diesem Tage den vom Geschäftsführer der Beklagten zu 1) unterzeichneten Mietvertrag. Das Ladengeschäft war zu diesem Zeitpunkt noch leer. Die Beklagte zu 1) eröffnete das Ladengeschäft am 29.10.2009. Sie verkauft dort Textilien ausschließlich der Marke "Thor Steinar" in einem Laden, der die Bezeichnung "O ..." trägt.
Mit Schreiben vom 18.12.2009 (Anlage K 3) an die Beklagte zu 1) erklärte die Klägerin sowohl die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung als auch dessen außerordentliche Kündigung. Die Beklagte zu 1) wies die Kündigung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2009 (Anlage K 4) zurück. Sie räumte das Ladengeschäft nicht.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Bezug genommen.
Das LG hat eine Beweisaufnahme durchgeführt und die Zeugen Mg, G, M, US und AK vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 01.06. und 18.11.2011 Bezug genommen.
Mit seinem Urteil vom 30.12.2011 hat das LG die Beklagte zu 1) verurteilt, die streitgegenständlichen Gewerberäume geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Klägerin könne die Herausgabe der streitgegenständlichen Gewerberäume von der Beklagten zu 1) verlangen, weil ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Beklagten zu 1) nicht vorliege. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 18.12.2009 den Mietvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das LG habe sein Urteil auf ein...