Leitsatz
Den Mieter eines Textilhandelsgeschäfts trifft eine vorvertragliche Aufklärungspflicht darüber, dass er sich die Möglichkeit des Verkaufs ausschließlich einer einzigen Textilmarke offenhalten möchte, wenn dem Mieter vom Vermieter vor Vertragsschluss erklärt wird, der Vermieter hege Bedenken gegen den Verkauf dieser Marke. Erweckt der Mieter in dieser Situation gegenüber dem Vermieter den Eindruck, er werde eine Vielzahl von Marken anbieten, von denen die problematische Marke nur eine ist, verletzt er seine vorvertragliche Aufklärungspflicht.
(amtlicher Leitsatz des Gerichts)
- Wird die Aufklärungspflicht verletzt, ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigt.
- Die Kündigung muss gem. § 314 Abs. 3 BGB binnen angemessener Frist erfolgen.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
§ 543 Abs. 1 BGB
Kommentar
Hier ging es um die Miete eines Ladengeschäfts in einem Einkaufscenter. Bei den Vertragsverhandlungen erklärte der Mieter, dass er einen Textileinzelhandel betreibe. Auf Frage des Vermieters nach der Art der Textilien präzisierte der Mieter, es handele sich um Freizeitkleidung verschiedener Marken, wozu zwar auch die (von Rechtsradikalen geschätzte) Marke "Thor Steinar" gehöre; allerdings komme dieser Marke im Gesamtangebot nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Mietvertrag wurde abgeschlossen und die Mietsache dem Mieter übergeben. Dieser führte in der Folgezeit ausschließlich Textilien der Marke "Thor Steinar". Aus diesem Grund hat der Vermieter das Mietverhältnis fristlos gekündigt.
Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegt vor, wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 BGB). Hiervon ist u.a. dann auszugehen, wenn der Mieter bei den Vertragsverhandlungen eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt. Dies ist der Fall, wenn er wesentliche für den Vertragsschluss maßgebliche Umstände verschweigt und sich dies ursächlich auf die Entscheidung des Vermieters ausgewirkt hat. Gleiches gilt, wenn der Mieter auf Fragen des Vermieters falsche Auskünfte erteilt.
So lagen die Dinge hier. Der BGH hat in dem Urteil vom 11.8.2010 (XII ZR 192/08, NJW 2010 S. 3362) ausgeführt, dass die Vermietung von Ladenräumen zum Vertrieb von Kleidungsstücken an rechtsradikale Kundschaft dem Vermieter und den übrigen Mietern erheblichen Schaden zufügen kann. Zum einen sei die Existenz eines solchen Ladens rufschädigend, was zur Folge habe, dass andere Mieter kündigen und potenzielle Mietinteressenten von einer Anmietung Abstand nehmen. Zum anderen müsse damit gerechnet werden, dass der Geschäftsbetrieb insgesamt durch Demonstrationen gestört werde. Deshalb ist der Mieter zur Aufklärung verpflichtet. Wird die Aufklärungspflicht verletzt, ist der Vermieter nach der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung berechtigt. Stattdessen kann er das Mietverhältnis auch fristlos kündigen.
Der Mieter hat der Wahrheit zuwider erklärt, dass die Marke "Thor Steinar" im Gesamtangebot keine bedeutende Rolle spiele. Hierin liegt eine Pflichtverletzung, die den Vermieter zur Kündigung berechtigt.
In einem weiteren Teil der Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass eine Kündigung gem. § 314 Abs. 3 BGB binnen angemessener Frist erklärt werden muss.
Angemessene Erklärungsfrist
Ein Zuwarten von ca. 7 Wochen ist noch als angemessen anzusehen.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss v. 27.7.2012, 5 U 68/12, NJW-RR 2012 S. 1295