Leitsatz (amtlich)
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht müssen in der Sache überprüfbar sein. Erst die genaue Bestimmung gibt § 145 a StGB, für den die Weisung die Funktion einer Blankettausfüllung haben, die Kontur und gewährleisten so seine Vereinbarkeit mit Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nach § 68 b StGB ohne individuelle Konkretisierung für den Einzelfall genügt nicht. Entsprechend sind Anordnungen "sich nicht an Orten aufzuhalten, die erfahrungsgemäß Menschen zum Treffpunkt dienen, die illegal Betäubungsmittel konsumieren oder handeln (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 2 StGB)" bzw. "Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder Gegenstände zur Aufbereitung von Betäubungsmitteln nicht zu besitzen, zu erwerben, bei sich zu führen, zu verwahren oder für sich verwahren zu lassen (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 5 StGB)" zu undefiniert und daher mit dem Bestimmtheitsgebot unvereinbar.
Normenkette
StGB §§ 68b, 145a; GG Art. 103
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 27.08.2009; Aktenzeichen 11 StVK 62/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz vom 27. August 2009 hinsichtlich der Weisungen Nrn. 4 c) und 4 d) der Beschlussformel aufgehoben.
Die weitergehende (einfache und sofortige) Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Verurteilte; allerdings wird die Gerichtsgebühr um ein Zehntel ermäßigt. Ein Zehntel der notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Landgericht Leipzig hatte den Beschwerdeführer am 09. Februar 2006 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe hatte es die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 30. Januar 2008 auf Grundlage eines kriminalprognostischen Sachverständigengutachtens abgelehnt, den Rest der Strafe zur Bewährung auszusetzen. Der Verurteilte ist als Vollverbüßer am 07. April 2009 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 27. August 2009 hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass bei dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes Führungsaufsicht eingetreten ist; deren Dauer hat sie auf fünf Jahre bestimmt und den Verurteilten für diese Zeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.
Zugleich hat das Gericht den Verurteilten angewiesen,
"a) sich mindestens einmal monatlich persönlich in der Sprechstunde des für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshelfers einzufinden (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 7 StGB),
b) jeden Wechsel des Wohnortes binnen einer Woche der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 8 StGB),
c) sich nicht an Orten aufzuhalten, die erfahrungsgemäß Menschen zum Treffpunkt dienen, die illegal Betäubungsmittel konsumieren oder handeln (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 2 StGB),
d) Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder Gegenstände zur Aufbereitung von Betäubungsmitteln nicht zu besitzen, zu erwerben, bei sich zu führen, zu verwahren oder für sich verwahren zu lassen (§ 68 b Abs. 1 Ziff. 5 StGB),
e) den Anordnungen des Bewährungshelfers Folge zu leisten (§ 68 b Abs. 2 StGB).
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit einer im Verteidigerschriftsatz vom 15. September 2009 rechtzeitig erhobenen "sofortigen Beschwerde".
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel des Verurteilten, das sich vollumfänglich gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet, ist zum einen als sofortige Beschwerde gegen die Feststellung des gesetzlichen Eintritts der Führungsaufsicht sowie zum anderen als einfache Beschwerde gegen die Bestimmung der Maßregeldauer, die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Anordnung von Weisungen zulässig. Es ist indes im Wesentlichen unbegründet und hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es sich als sofortige Beschwerde dagegen richtet, dass die Strafvollstreckungskammer nicht gemäß § 68 f Abs. 2 StGB ein Entfallen der Führungsaufsicht angeordnet hat.
Nach § 68 f Abs. 1 StGB tritt kraft Gesetzes mit der Entlassung eines Verurteilten aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein, wenn - wie hier - Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten vollständig vollstreckt worden ist.
Eine Anordnung nach § 68 f Abs. 2 StGB, dass die Führungsaufsicht entfalle, hat Ausnahmecharakter; sie kommt in der Regel nur in Betracht, wenn im letzten Stadium des Vollzuges Umstände eingetreten sind die eine Strafaussetzung zur Bewährung gerechtfertigt hätten, eine solche aber entweder aus Zeitgründen oder wegen fehlender Einwillig...