Entscheidungsstichwort (Thema)
Führungsaufsicht. Beachtung des Übermaßverbots bei Anordnung einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB
Leitsatz (amtlich)
Die Weisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB kommt in erster Linie für im Vollzug erfolgreich behandelte rauschmittelabhängige Probanden in Betracht. Indes macht allein der Umstand, dass es sich bei dem Verurteilten um einen langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Suchtkranken handelt, die Abstinenzweisung nicht von vornherein unzulässig. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, insbesondere, ob die begründete Aussicht besteht, der mit der Weisung verfolgte Zweck - die Wahrscheinlichkeit eines "Beitrags" zu strafbaren Handlungen zu verringern - könne erreicht werden. Keine Bedenken bestehen gegen eine Abstinenzweisung, wenn lediglich mangelnde Willensstärke oder auch charakterliche Labilität einen Weisungsverstoß befürchten lassen.
Normenkette
StGB § 68b Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen III StVK 994/12) |
Tenor
1.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die im angefochtenen Beschluss getroffene Entscheidung über den Eintritt der Führungsaufsicht wird als unbegründet verworfen.
2.
Auf die (einfache) Beschwerde des Verurteilten gegen die in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Anordnungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht wird die Weisung zu Nr. I Ziff. 6 aufgehoben; die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.
Gründe
I.
Durch Urteil des Landgerichts - Große Strafkammer - Bielefeld vom 28. August 2007 ist der Verurteilte wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerem Raub, mit versuchter räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes und Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie Sachbeschädigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2007 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Verurteilte im Alter von achtzehn Jahren begonnen, regelmäßig Drogen (zunächst Alkohol, Haschisch und Marihuana, später auch Heroin und Kokain) zu konsumieren. Die abgeurteilten Straftaten hatte der Verurteilte begangen, um Rauschmittel zu erbeuten und diese zur Linderung eigener Entzugserscheinungen einzusetzen.
Der Verurteilte hat die vorgenannte Gesamtfreiheitsstrafe voll verbüßt. Eine zwischenzeitlich bewilligte Therapiemaßnahme nach § 35 BtMG hat der Verurteilte nach wenigen Tagen abgebrochen. Soweit er im Jahr 2011 erneut eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG beantragt hatte, ist sein Antrag durch Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 17. April 2012 zurückgewiesen worden. Hintergrund dieser Entscheidung waren u.a. weitere Straftaten, die der Verurteilte während seiner Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt X begangen hat. Im Rahmen von Haftraumkontrollen waren bei dem Verurteilten am 21. Juni 2011 sowie am 2. Juli 2011 Betäubungsmittel (Haschisch) aufgefunden worden, weshalb der Verurteilte durch das Amtsgericht X am 3. November 2011 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Monat verurteilt worden ist. Wegen eines weiteren Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz im April 2011 ist der Verurteilte durch das Amtsgericht X am 2. Februar 2012 unter Auflösung der vorgenannten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Monat und drei Wochen verurteilt worden. Im vorgenannten Urteil des Amtsgerichts X ist die Drogenabhängigkeit des Verurteilten nochmals ausdrücklich festgestellt worden.
Im Rahmen der Prüfung einer bedingten Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB ist im Frühjahr 2011 ein fachärztliches Gutachten zu der Frage eingeholt worden, ob Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Der Sachverständige Prof. Dr. D2 aus N (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) hat in seinem Gutachten vom 16. Mai 2011 ausgeführt, dass eine Neigung zum Suchtmittelgebrauch nach wie vor besteht. Das Gutachten des Sachverständigen endet mit folgender Feststellung:
"Zusammenfassend ist aus psychiatrischer Sicht festzustellen, dass vor allem aufgrund der weiteren Neigung von Herrn T2. während der Haftzeit sich Drogen zu beschaffen, bzw. zu konsumieren und in diesem Zusammenhang Regelverletzungen zu begehen und fehlender erkennbarer grundsätzlicher Einstellungsänderungen gegenüber dem Suchtmittelkonsum und den damit verbundenen Gefährdungen, davon ausgegangen werden muss, dass bei Herrn T2. weiterhin die Gefahr besteht, dass seine durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Bei einer Entlassung aus dem Strafvollzug zum jetzigen Zeitpunkt müsste man mit fortgesetztem Konsum und einer damit verbundenen delinquenten Lebensweise rechnen, mit der Gefahr, erneuter ähnlicher Straft...