Leitsatz (amtlich)

Darüber, ob einer Beschwerde gegen eine Kammerentscheidung abzuhelfen ist, hat nach zwischenzeitlicher Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gem. § 348a Abs. 1 ZPO nicht mehr die Zivilkammer in der Ausgangsbesetzung, sondern der Einzelrichter zu entscheiden.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Beschluss vom 17.01.2008; Aktenzeichen 9 O 2231/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Nichtabhilfebeschluss der 9. Zivilkammer des LG Dresden vom 17.1.2008 aufgehoben.

Die Sache wird an das LG zur erneuten Abhilfeentscheidung zurückgegeben.

 

Gründe

I. Die Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen ein Darlehensrückzahlungsverlangen der klagenden Sparkasse sowie für eine beabsichtige Widerklage hinsichtlich geleisteter Ratenzahlungen. Das LG hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 14.11.2007, auf den verwiesen wird, zurückgewiesen und den Rechtsstreit am 27.12.2007 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Der am 21.11.2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde der Beklagten, die zurückzuweisen die Klägerin beantragt, hat das LG am 17.1.2008 in der Ausgangsbesetzung mit drei Richtern nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Der Senat hebt die Nichtabhilfeentscheidung auf und gibt die Sache an das LG zurück, weil es bislang an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren fehlt.

1. Darüber, ob der sofortigen Beschwerde abgeholfen wird, hatte nicht die Kammer, sondern der Einzelrichter zu entscheiden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der Abhilfeprüfung in diesem Falle anders ausgefallen wäre.

Nach § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der nahezu wortgleich der Regelung zum Abhilfeverfahren bei einer einfachen Beschwerde nach altem Recht entspricht (§ 571 ZPO a.F.), haben "das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird", über die Frage der Abhilfe zu befinden. In diesem Wortlaut kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass diejenigen Richter, die die angegriffene Entscheidung erlassen haben (Einzelrichter, Vorsitzender der Kammer für Handelssachen, Spruchkörper), auch für das Abhilfeverfahren zuständig sind (vgl. OLG Stuttgart MDR 2003, 110 f.). Überträgt indes eine hier gem. § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b ZPO zunächst zuständige Zivilkammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter gem. § 348a Abs. 1 ZPO zur Entscheidung, so ist ab diesem Zeitpunkt dessen alleinige Zuständigkeit für alle weiteren Entscheidungen begründet. Das gilt auch für die Prüfung, ob einer sofortigen Beschwerde gegen eine frühere Kammerentscheidung in derselben Sache abzuhelfen ist. Nach Sinn und Zweck des Abhilfeverfahrens kann es nicht richtig sein, die Kammer noch für zuständig zu halten, obwohl sie den Rechtsstreit mittlerweile dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat. Allein dessen Beurteilung der Sache ist nunmehr maßgebend. Nichts spricht dafür, ihm diese Kompetenz zu versagen, soweit es die Frage der Abhilfe im Rahmen einer Beschwerde gegen eine frühere Kammerentscheidung betrifft. Die "Gefahr", dass er nicht oder nicht mehr die in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Sichtweise teilt, ist ohne Belang. Die Kammer hat es ohnehin nicht mehr in der Hand, wie der Rechtsstreit entschieden wird. Es wäre unsinnig, ihr nach Übertragung auf den Einzelrichter überhaupt noch eine weitere punktuelle Befassung aufzuerlegen und damit zwangsläufig zu gestatten, im Abhilfeverfahren - möglicherweise entgegen der aktuellen Beurteilung des Einzelrichters - die angefochtene Entscheidung zu "verteidigen" oder umgekehrt dem Begehren des Beschwerdeführers durch Abhilfe zu entsprechen. Mit der Übertragung gem. § 348a Abs. 1 ZPO wird der Einzelrichter also nicht nur allgemein der nunmehr berufene gesetzliche Richter, sondern auch zum "Gericht" i.S.v. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Danach hat im Streitfall, anders als im Rahmen einer früheren PKH-Beschwerde aus einem anderen, vor derselben Kammer des LG geführten Verfahren (9 O 1047/07, Senat 8 W 830/07), nicht der gesetzliche Richter über die Abhilfe befunden.

2. Ob in einer solchen Konstellation die Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses zwingend oder nur möglich ist, kann dahinstehen. Hier ist sie zusätzlich deshalb angebracht, weil die formelhafte Begründung der Nichtabhilfeentscheidung nicht ausreichend erkennen lässt, dass das LG das teils neue Vorbringen in der Beschwerdeschrift - mit welchem die Beklagte zu dem kurz vor Erlass der angefochtenen Entscheidung eingegangenen und dieser in wesentlichen Teilen zugrunde gelegten Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 8.11.2007 Stellung nahm - vollständig zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, namentlich aus welchen Gründen das Prozesskostenhilfebegehren unverändert aussichtslos sein soll. Auch dies wird der für das Abhilfeverfahren zuständige Einzelrichter ggf. nachzuholen haben. Sollte die Beklagte zu der ihr vom LG zusammen mit der Nichtabhilfeentscheidung zugeleiteten Beschwerdeerwiderung noch Stellung nehmen wollen...

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