Leitsatz (amtlich)
Auch der Vollzugsbeginn einer aus tatsächlichen Gründen zu Unrecht angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ("Fehleinweisung von Anfang an") beendet eine zuvor bestehende zeitige Führungsaufsicht, § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Für eine teleologische Einschränkung dieser im Wortlaut klaren Vorschrift besteht kein Raum.
Verfahrensgang
LG Zwickau (Entscheidung vom 05.01.2012; Aktenzeichen 1 StVK 23/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau vom 05. Januar 2012 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Verurteilten hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I. 1. Der Beschwerdegegner war 1999 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren sechs Monaten verurteilt worden; zugleich war gemäß § 64 StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Die Vollstreckung dieser Maßregel wurde am 13. März 2001 mit Beschluss der zuständigen Strafvollstreckungskammer wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen. Die damit gemäß § 67d Abs. 5 S. 2 StGB kraft Gesetzes eingetretene zeitige Führungsaufsicht ruhte allerdings nach § 68e Abs. 1 S. 2 StGB wegen der sich anschließenden Reststrafenvollstreckung (vgl. zur Problematik Senatsbeschluss vom 18. Juli 2011 - Az.: 2 Ws 70/11 -, zitiert nach juris; Groß in jurisPR-StrafR 5/2011, Anm. 3).
2. Mit Vollverbüßung der Reststrafe am 02. September 2006 trat gemäß § 68f Abs. 1 StGB erneut zeitige Führungsaufsicht kraft Gesetzes ein, weil die Strafvollstreckungskammer nichts Gegenteiliges (§ 68f Abs. 2 StGB) anordnete. Die bis dahin bestehende - ruhende - Führungsaufsicht endete kraft Gesetzes, § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB (vgl. Senat aaO.).
Die Dauer der neu eingetretenen Führungsaufsicht bestimmte die Strafvollstreckungskammer auf fünf Jahre. Sie wäre bei ungestörtem Verlauf am 02. September 2011 beendet gewesen.
3. Am 19. Mai 2010 verurteilte das Landgericht Zwickau den Beschwerdegegner wegen neuer Straftaten zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr neun Monaten und ordnete gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Vollzug dieser Maßregel begann am 06. September 2010.
Mit Beschluss vom 06. September 2011 stellte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau - sachverständig beraten - fest, dass die Anordnung der Maßregel zu Unrecht erfolgt war, es sich insoweit um eine "Fehleinweisung von Anfang an" aus tatsächlichen Gründen gehandelt hatte. Sowohl die Maßregelvollzugsanstalt als auch beigezogene externe Gutachter hatten festgestellt, dass die tatsächlichen medizinischen Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB bereits zur Tatzeit nicht vorgelegen hätten. Entsprechend erklärte die Strafvollstreckungskammer die Maßregel für erledigt, § 67d Abs. 6 S. 1 StGB; zugleich stellte sie klärend fest, dass wegen der zu Unrecht angeordneten Unterbringung Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 S. 2 StGB nicht eingetreten sei (h.M.; vgl. Senat NStZ-RR 2008, 630 f.; LG Meiningen, Beschluss vom 18. Februar 2009 - Az.: 4 StVK 569/07 -, zitiert nach juris; Thüringer Oberlandesgericht NStZ-RR 2011, 61 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - Az.: 3 Ws 970/10 -, zitiert nach juris; a.A. Braasch in jurisPR-StrafR 11/2008 Anm. 2, der - verfassungsrechtlich zweifelhaft - über die Wortlautgrenze des § 67d Abs. 6 S. 1 StGB hinaus [vgl. Braasch aaO. lit. C.] auch in diesen Fällen Führungsaufsicht eintreten lassen will).
Der Verurteilte wurde am 11. Oktober 2011 zur Vollstreckung der Reststrafe in die Justizvollzugsanstalt Dresden verlegt. Das Strafende wird voraussichtlich am 04. Januar 2013 erreicht sein.
4. Am 26. September 2011 beantragte die Staatsanwaltschaft deklaratorisch festzustellen, dass durch den Vollzugsbeginn der vom Landgericht Zwickau zu Unrecht angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB die bis dahin bestehende Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 1 StGB entgegen § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht beendet worden sei. Die Vorschrift sei teleologisch zu reduzieren, weil ihr Regelungszweck - das Vermeiden ineffektiver Doppelbetreuung - wegen des Nichteintritts einer neuen Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 S. 2 StGB nicht einschlägig werde.
Die Strafvollstreckungskammer hat diesen Antrag unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift mit Beschluss vom 05. Januar 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die (einfache) Beschwerde der Staatsanwaltschaft, der nicht abgeholfen wurde. Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Auch der Vollzugsbeginn der rechtskräftig, wenngleich zu Unrecht angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die bis dahin bestehende zeitige Führungsaufsicht beendet, § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Für eine teleologische Einschränkung dieser im Wortlaut klaren Vorschrift besteht kein Rau...