Leitsatz (amtlich)
1. Der künftige Versicherungsnehmer hat in einem Antragsformular auch Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben, sofern diese nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen.
2. Die Verharmlosung von über Jahre hinweg bestehenden chronischen Schmerzen und verschiedenen Erkrankungen mit häufigen Arztbesuchen indiziert ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 175/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Verhandlungstermin vom 4.5.2021 wird aufgehoben.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 18.791, 70 EUR festgesetzt werden
Gründe
I. Die inzwischen wieder voll berufsfähige Klägerin verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung der Kläger die Klage abgewiesen. Es hielt die vorprozessual erklärte Anfechtung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin für berechtigt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin verfolgt nach teilweiser Erledigungserklärung, der sich die Beklagte bislang nicht angeschlossen hat mit der Berufung ihr Klageziel weiter.
Sie rügt unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Argumente die unterlassene Beweiserhebung durch das Landgericht im Wege der Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen und Beiziehung der Behandlungsunterlagen (Bl. 162 d. A.).
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin wegen wirksamer Anfechtung des Vertrages durch die Beklagte verneint. Die Berufungsbegründung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die in den dem Senat durch § 529 ZPO gesetzten Grenzen eine andere Entscheidung oder auch nur ergänzende Beweisaufnahme rechtfertigen würden.
1. Die Klägerin hat zunächst mehrere der gestellten Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Die Gesundheitsfrage unter Ziffer 7.1 des Antrages lautet:
"Sind Sie in den letzten fünf Jahren von Ärzten oder Behandlern beraten oder untersucht worden oder haben Sie während dieser Zeit stationäre oder ambulante Krankenhausrehabilitations-/Kuraufenthalte oder Operationen stattgefunden oder sind solche für die nächsten zwei Jahre ärztlich empfohlen oder beabsichtigt?"
Diese Frage beantwortete die Klägerin mit Nein. Tatsächlich befand sie sich aber in den fünf Jahren vor Antragstellung am 15.05.2016 in ärztlicher Behandlung wegen eines chronischen Schmerzsyndroms (15.02.2012; 15.05.2012; 08.10.2012; 23.06.2014; 02.12.2014; 24.08.2015), wegen einer Erkältung, einer Angina und einer Mandelentzündung (08.10.2021; 29.10.2012), einer Sinusbronchitis (13.02.2013 und 25.02.2013 und 11.11.2013, 15.11.2013 und 15.11.2013), einer Augenbindehautentzündung (10.10.2011 und 13.02.2013), dazu wegen Magen-Darm-Problemen, unter anderem mehrfach wegen einer Gastritis, Oberbauchkoliken und Reizdarm (Gastritis 25.02.2013, 09.01.2014, 10.01.2014, Oberbauchkoliken 16.10.2014, Reizdarmstörungen 02.12.2014, 12.12.2014, 24.08.2015). Wegen Schmerzen im Oberbauch erfolgte zudem die Einweisung über die Notaufnahme eines Krankenhauses (23.06.2014), gefolgt von einem stationären Aufenthalt (09.12.2014 bis 11.12.2014). Die Klägerin wurde ferner wegen eines Schulter-Arm-Syndroms behandelt (24.08.2015), erhielt mehrfach eine Schmerzmedikation mit Novaminsulfon (Wirkstoff Metamizol) und hatte nach eigenen Angaben aus dem Jahre 2016 "seit sechs bis sieben Jahren Magenprobleme mit regelmäßiger Verschreibung von Protonenpumpenhemmern.
Hieraus ergibt sich zugleich die Falschbeantwortung der Gesundheitsfrage 7.8 c, wo es heißt:
"Bestehen oder bestanden in den letzten fünf Jahren Krankheiten oder Funktionsstörungen der Verdauungsorgane (z. B. Sodbrennen, Darmentzündung, Gastritis, ...)",
die die Klägerin auch mit Nein beantwortet hat sowie der Frage 7.10, wo es heißt:
"Haben oder hatten Sie in den letzten fünf Jahren Beschwerden mit Knochen und Gelenken sowie mit den dazugehörigen Muskeln, Bändern und Sehnen, weswegen Sie in Behandlung waren?",
die die Klägerin ebenfalls mit Nein beantwortet hat.
2. Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer...