Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt der Versicherungsnehmer einem Dritten die Vertragsverwaltung, muss er sich dessen Verhalten nur in Vertragsangelegenheiten und nur für Obliegenheitsverletzungen zurechnen lassen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls liegen. Die Zurechnung eines Verhaltens des Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalls führt, kommt nur i Betracht, wenn diesem auch die Gefahrverwaltung übertragen war.

2. Wird das von einem Gebäudeversicherungsvertrag abgedeckte Grundstück auch nur zeitweise zur Lagerung von Drogen oder für Treffen mit Personen benutzt, die als Drogenkuriere fungierten, liegt eine Gefahrerhöhung vor.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 13/19)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss mangels Begründetheit zurückzuweisen. Denn die Berufung bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Klägerin kann von der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag aufgrund des Brandereignisses vom 18.07.2015 keine Leistungen beanspruchen, weil die Beklagte gemäß §§ 23 Abs. 1, 26 VVG wegen einer vorsätzlichen Gefahrerhöhung seitens des Sohnes der Klägerin (D... E...) - dessen Handeln als ihr Repräsentant sich die Klägerin zurechnen lassen muss - leistungsfrei geworden ist.

I. Der Sohn der Klägerin war bezogen auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag ihr Repräsentant sowohl im Bereich der Gefahrverwaltung als auch im Bereich der Vertragsverwaltung. Zwar war die Klägerin "auf dem Papier" (Grundbucheintrag) Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks und Versicherungsnehmerin der Beklagten, tatsächlich hatte aber der Sohn der Klägerin die maßgebliche Verfügungsgewalt über das Grundstück ausgeübt, so dass auch der Versicherungsvertrag ausschließlich in seinem Interesse bestand. Zudem hat der Sohn der Klägerin auch tatsächlich Aufgaben des Versicherungsnehmers gegenüber der Beklagten wahrgenommen.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH, Urteil vom 14.03.2007, Az.: IV ZR 102/03 - juris) hat der Versicherungsnehmer für das - selbst vorsätzliche - Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen. Der Grund der Haftungszurechnung liegt darin, dass es dem Versicherungsnehmer nicht frei stehen darf, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, dass er einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greift nicht nur dort, wo es im Sinne der übertragenen Gefahrverwaltung (Risikoverwaltung im engeren Sinne) um die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Repräsentanten geht. Ihm ist vielmehr auch dann Rechnung zu tragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesse des Versicherers an der Einhaltung von Obliegenheiten gerade deshalb durch einen Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt hat, insoweit selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln, er ihm also insoweit die eigenverantwortliche Verwaltung des Versicherungsvertrages übertragen hat. Repräsentation kraft Vertragsverwaltung ist nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles möglich. Den Versicherungsnehmer treffen auch vor Eintritt des Versicherungsfalles Anzeige- und sonstige Obliegenheiten, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit führen kann. Davon kann er sich zu Lasten des Versicherers nicht dadurch befreien, dass er diese Obliegenheiten einem Dritten zur selbständigen Wahrnehmung überträgt.

Aus dem tragenden Grund dafür, dass der Versicherungsnehmer für das Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen hat, ergibt sich zugleich die Grenze der Zurechnung. Der Versicherungsnehmer muss sich Repräsentantenverhalten nur insoweit zurechnen lassen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Überträgt er dem Dritten die selbständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich, ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Eine auf einen bestimmten Bereich bezogene Repräsentantenstellung kommt insbesondere bei Geschäfts- und Betriebsversicherungen in Betracht. Für die Übertragung der Vertragsverwaltung folgt daraus, dass der Ver...

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