Leitsatz (amtlich)
Zu den Aufklärungs- und Beratungspflichten sowie dem Ermessensspielraum eines Rechtsanwalts im Zusammenhang mit dem Abschluss eines auf Vorschlag des Gerichts geschlossenen Vergleichs (hier: Abfindungsvergleich nach Kündigungsschutzklage).
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 12 O 2345/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Dresden vom 19.2.2002 (Az: 12 O 2345/01) abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
– Streitwert: 14.060,53 Euro –
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO n.F. abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
I. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten aus einem Anwaltsvertrag (§§ 611, 675 BGB).
Zwar muss sich die Beklagte grundsätzlich ein Verschulden des bei ihr angestellten Rechtsanwaltes R., der das Mandat bearbeitet hat, zurechnen lassen (§ 278 BGB), jedoch hat dieser keine vorwerfbare Pflichtverletzung bei der Bearbeitung des Mandates begangen (1). Selbst wenn er die Klägerin bei Abschluss des Vergleiches über die Prozessaussichten nicht ausreichend beraten hätte, würde es an der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den von der Klägerin behaupteten Schaden fehlen (2).
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat Rechtsanwalt R. weder Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der verspäteten Erhebung der Kündigungsschutzklage verletzt noch den Sachverhalt bei der Feststellung des Zugangsdatums der Kündigung ungenügend aufgeklärt (a). Er hat es bei dem eingereichten Antrag nach § 5 KSchG auch nicht an einer erforderlichen Glaubhaftmachung der zur Begründung vorgetragenen Tatsachen fehlen lassen (b) oder die maßgebliche Kündigungsfrist nicht beachtet (c). Darüber hinaus mangelt es nicht an der erforderlichen Sachaufklärung durch die fehlende Beiziehung des medizinischen Gutachtens (d) und er hat weder die Vor- und Nachteile des Vergleiches in unzutreffender Weise abgewogen (e) noch die Klägerin zur Abfindungshöhe oder wegen des unterlassenen Hinweises über die Stellung eines Auflösungsantrages fehlerhaft beraten (f).
a) Rechtsanwalt R. hat keine Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der verspäteten Erhebung der Kündigungsschutzklage verletzt. Er hat ausgehend von dem Datum 9.3.1999, welches er sich unstreitig anlässlich des Gespräches mit der Klägerin zum Zugang der Kündigung notiert hat, fristgerecht die Klage eingereicht. Entgegen seiner Notiz war der Klägerin die Kündigung allerdings schon am 8.3.1999 zugegangen, so dass die Kündigungsschutzklage tatsächlich verspätet war.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bei der Feststellung des Zugangsdatums der Kündigung Fehler unterlaufen sind. Die Klägerin hat den Nachweis, dass sie Rechtsanwalt R als Zugangsdatum den 8.3.1999 genannt hat, nicht geführt. Es ist vielmehr nicht aufklärbar, ob der 9.3.1999 durch eine irrtümliche Angabe der Klägerin oder aufgrund eines Missverständnisses seitens des Rechtsanwaltes von diesem notiert wurde. Zwar spricht zunächst für die Darstellung der Klägerin, sie habe den 8.3.1999 genannt, dass ihr an diesem Tag tatsächlich die Kündigung zugegangen ist. Auf der anderen Seite spricht für die Darstellung der Beklagten und macht sie sogar wahrscheinlicher, dass bei den Zahlen 8 und 9 phonetisch eine Verwechslungsgefahr, anders als z.B. bei den Zahlen 2 und 3, und damit ein Missverständnis nahezu ausgeschlossen ist. Zudem ist unstreitig, dass der Rechtsanwalt anlässlich des Gespräches mit der Klägerin den vorgelegten Aktenvermerk gefertigt hat, in dem er als Zugangsdatum den 9.3.1999 eingetragen hat. Es gibt in diesem Fall keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, warum der Rechtsanwalt, wenn ihm die Klägerin tatsächlich als Zugangsdatum den 8.3.1999 genannt hat, statt des 8.3.1999 in den unmittelbar angefertigten Vermerk das Datum 9.3.1999 eingetragen haben sollte. Des Weiteren zeigt auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, dass es möglicherweise dadurch, dass sie am 9.3.1999 mit der Rechtsschutzversicherung gesprochen hat, zu diesem, wie sie selbst sagt, „Datumswirrwarr” gekommen ist und sie Rechtsanwalt R. dieses Datum genannt hat.
Da mithin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin dem Rechtsanwalt als Zugangsdatum den 9.3.1999 genannt hat, liegt eine Pflichtverletzung des Anwaltes nicht vor.
Insbesondere hatte Rechtsanwalt R. vor diesem Hintergrund auch keine Pflicht zur weiteren Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes. Denn der Rechtsanwalt darf auf die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben seines Mandanten vertrauen und braucht insoweit keine eigenen Nachforschungen vorzunehmen, solange er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben weder kennt noch kennen muss (vgl. BGH ...