Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV2/Covid-19 scheidet aus.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1267/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 17.03.2021 - 8 O 1267/20 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 15.169,87 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist Inhaber der gastronomischen Einrichtung "..." in ... und unterhält bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung. Versichert ist ein Schließungsschaden für 30 Tage zu je 500,00 EUR. Dem Vertrag liegen die Versicherungsbedingungen der Beklagten Stand 01.01.2009 zugrunde, die unter anderem folgende Regelungen enthalten:
§ 1 Gegenstand der Versicherung
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) Den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung zur Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt;
...
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
...
b) Krankheitserreger
...
Das Corona-Virus ist in der Aufzählung nicht enthalten. Mit der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18.03.2020 wurde die Öffnung von Gaststätten und Restaurants nur zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr und der Außer-Haus-Verkauf erlaubt. Mit Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 zum Schutz vor dem Corona-Virus wurde die Schließung der Gaststätten - mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufes - angeordnet. Aufgrund weiterer Allgemeinverfügungen und Verordnungen blieb die Schließung bis 14.05.2020 angeordnet. Der Kläger meldete Ansprüche bei der Beklagten an und die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht ab.
Der Kläger ist der Meinung, dass ein versichertes Ereignis vorliege. Ein verständiger Versicherungsnehmer habe davon ausgehen dürfen, dass das SARS-Covid 19-Virus ein meldepflichtiger Krankheitserreger sei. Im Übrigen verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot, denn der Wortlaut sei mehrdeutig. Auch der Ausschluss der Prionenerkrankung in den Versicherungsbedingungen zeige, dass die Beklagte als Verwenderin die Aufzählung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger nicht als abschließend betrachtet habe. Die Verwendung des Wortes "namentlich" zeige, dass die Liste beispielhaft sei. Deckungslücken seien nicht erkennbar gewesen. Die Betriebsschließung sei praktisch vollständig gewesen, denn ein Außer-Haus-Verkauf habe der Kläger wegen der Besonderheiten des Geschäftes nicht tätigen können. Das Bedingungswerk stelle nicht auf einen konkreten Schaden ab, sondern auf eine feste Taxe. Liquiditätshilfen und Kurzarbeitergeld seien nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Versicherungsschutz. Der Krankheitserreger sei nicht in den Versicherungsbedingungen aufgeführt und der Katalog sei abschließend. Dies werde auch ein durchschnittlicher und verständiger Versicherungsnehmer so verstehen. Unabhängig davon sei die Allgemeinverfügung unwirksam, weil sie eine unzutreffende Ermächtigungsgrundlage nenne und gegen das Zitierverbot verstoße. Zudem fehle es an einer konkreten individuellen Verfügung gegenüber dem Kläger. Generalpräventive Gesundheitsmaßnahmen seien nicht Gegenstand der Betriebsschließungsversicherung, da diese nur betriebsinterne (intrinsische) Gefahren umfasse. Zudem habe nicht die zuständige Behörde gehandelt. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Schließlich müsse der Kläger einen kausalen Schaden vortragen, woran es fehle. Im Übrigen sei die vereinbarte feste Taxe nicht bindend, wenn sie erheblich von dem tatsächlichen Schaden abweiche, was bei mehr als zehn Prozent anzunehmen sei. Der tatsächliche Schaden des Klägers lie...