Leitsatz (amtlich)
Ein DNS-Resovler-Dienst haftet nicht aus §§ 97 Abs. 1, 15, 19a UrhG wegen täterschaftlicher öffentlicher Widergabe für das Zugänglichmachen potentiell rechtsverletzender Inhalte, weil ihm zwar eine kausale, nicht aber die erforderliche zentrale Rolle zukommt.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 05 O 807/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 01.03.2023, Az. 05 O 807/22, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 EUR
Gründe
A Die klagende Tonträgerherstellerin nimmt die Beklagte, die einen Domain Name System (DNS) Resolver anbietet, aus Urheberrecht auf Unterlassung und hilfsweise aus dem Telemediengesetz auf Sperrung in Anspruch.
Ein DNS-Resolver ist ein Server, der in den sog. DNS-Lookup eingebunden ist. Ziel des DNS-Lookups ist es, einen Domainnamen in die zugehörige IP-Adresse umzuwandeln. Das DNS-System ermöglicht es den Nutzern, einprägsame Namen anstelle numerischer Adressen für Rechner zu verwenden.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 01.03.2023, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird, die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt,
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), es zu unterlassen,
auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das Musikalbum "Evanescence - The Bitter Truth" mit den darauf enthaltenen Tonaufnahmen 1. Artifact/The Turn 2. Broken Pieces Shine 3. The Game Is Over 4. Yeah Right 5. Feeding the Dark 6. Wasted on You 7. Better Without You 8. Use My Voice 9. Take Cover 10. Far From Heaven 11. Part of Me 12. Blind Belief öffentlich zugänglich zu machen,
indem die Beklagte ihren Nutzern einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der die Domain "canna.to" und/oder die Subdomain "uu.canna.to" in numerische IP-Adressen übersetzt, so dass es den Nutzern der Beklagten mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, den Internetdienst unter der Domain "canna.to" und/oder der Subdomain "uu.canna.to" und/oder der weiteren Domain(s) zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des Albums aufzurufen,
wie geschehen indem die Beklagte ihren Nutzern den DNS-Resolver-Dienst "Q..." unter der IPAdresse 9.9.9.9 zur Verfügung gestellt hat, mit dessen Hilfe die Nutzer für den in der angefügten Anlage K 36 abgebildeten Beitrag und die Internetadresse http://uu.canna.to/links.php?action=popup&kat_id;=5[fileid]=551125, sowie den in der angefügten Anlage K 37 abgebildeten Beitrag und die Internetadressen
http://uu.canna.to/links.php?action=popup&kat_id;=5[fileid]=551499,
http://canna.sx/links.php?action=popup&kat_id;=5[fileid]=551499
und http://canna-power.to/links.php?action=popup&kat_id;=5[fileid]=551499
numerische IP-Adressen übermittelt erhielten, welche es ihnen ermöglichten, die auf den unter den vorgenannten Adressen vorgehaltenen Hyperlinks auf die Speicherplätze
http://shareplace.org/?5DF7473B2 bzw.
http://shareplace.org/?0B6DB9EB3 anzuklicken und die dort rechtswidrig gespeicherten Kopien des vorgenannten Albums aufzurufen.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte hiergegen. Sie hafte für die reine Durchleitung nicht als Täterin und könne Haftungsprivilegierungen in Anspruch nehmen. Eine Handlung der Wiedergabe habe sie nicht vorgenommen. Auch ein Sperranspruch bestehe nicht, weil die Klägerin nicht genug unternommen habe, um den Hostbetreiber des streitgegenständlichen Dienstes gerichtlich Anspruch zu nehmen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 01.03.2023, Az. 05 O 807/22, die Klage abzuweisen.
Im Senatstermin vom 14.11.2023 hat die Klägerin auf Anraten des Gerichts hilfsweise den in erster Instanz hilfsweise für den Fall, dass das Gericht eine Privilegierung nach § 8 TMG annehme, gestellten Antrag gestellt:
es der Beklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer)
aufzugeben, in ihrem Q... DNS-Service ihren Nutzern den Zugang zu dem gegenwärtig "CannaPower" genannten Internetdienst, wie über die URLs canna.to und uu.canna.to abr...