Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern durch Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks für den Jahresabschluss (mit Lagebericht) einer Emittentin von Inhaberteilschuldverschreibungen
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 31.05.2011; Aktenzeichen 4 O 4491/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Leipzig vom 31.5.2011 - 4 O 4491/09, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) 5.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinszins seit dem 4.2.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der bereits zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der XXX AG, 405 IN 2046/06, festgestellten Ansprüche des Klägers zu 1) aus dem Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen der XXX AG zu ISIN: DE 00 0A 0E KH X6 mit den Urkundennummern 18771 bis 18775 zum Nennbetrag von je 1.000 EUR.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 2) 10.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszins seit dem 4.2.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der bereits zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG, 405 IN 2046/06, festgestellten Ansprüche des Klägers zu 2) aus dem Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen der XXX AG zu ISIN DE 00 0A 0D RQ Y2 mit den Urkundennummern 13015 bis 13019 zum Nennbetrag von jeweils 1.000 EUR und zu ISIN: DE 000A 0E KH X6 mit den Couponnummern 19412 bis 19416 zum Nennbetrag von je 1.000 EUR.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Annahme der unter Ziff. 1 und 2 genannten Gegenleistungen in Verzug befinden.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten der Beweisaufnahme haben die Beklagten als Gesamtschuldner vollständig zu tragen. Von den übrigen gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben der Kläger zu 2) 72 %, der Kläger zu 1) 2 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 26 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) haben dieser selbst 4/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/5 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen dieser selbst 1/6 und die Beklagten als Gesamtschuldner 5/6.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 2) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vom Kläger zu 2) vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000 EUR festgesetzt. Hiervon entfallen auf die Berufung des Klägers zu 1) 5.000 EUR und auf die Berufung des Klägers zu 2) 40.000 EUR.
Gründe
I. Die Kläger begehren von der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Beklagte zu 1) und deren Geschäftsführer, dem Beklagten zu 2), Schadensersatz wegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks, den der Beklagte zu 2) nach selbst durchgeführter Prüfung für die Beklagte zu 1) der XXX AG (im Folgenden: XXX) für das Geschäftsjahr 2003 am 29.6.2004 erteilte.
Die XXX veräußerte auf dem sog. "grauen Kapitalmarkt" Inhaberteilschuldverschreibungen an Kleinkapitalanleger. Bei den Inhaberteilschuldverschreibungen handelte es sich um käuflich zu erwerbende Inhaberpapiere der XXX, die mit einem Zinssatz zwischen 5,25 % und 7 % p.a. verzinst worden sind. In den Jahren 1999 bis zur Insolvenz im Jahr 2006 legte die XXX insgesamt 25 Tranchen von Inhaberteilschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung (im Folgenden in chronologischer Reihenfolge der Ausgabe: IHS 1 bis IHS 25) mit einem rechnerischen Gesamtvolumen von ca. 556 Mio EUR auf. Die Buchhaltung der XXX wurde von der B. betreut, die auch die Jahresabschlüsse erstellte, deren Aufsichtsrat der Beklagte zu 2) mindestens bis zum Jahr 2000 angehörte und die unter der gleichen Anschrift wie die Beklagte zu 1) ihren Sitz hat; der Vorstand der B. war bis 1999 Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) testierte die Jahresabschlüsse der XXX für die Geschäftsjahre von 1999 bis 2003. Am 1.9.2006 ist über das Vermögen der XXX das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Der Kläger zu 1) zeichnete mit Kaufantrag vom 24.6.2005 Inhaberteilschuldverschreibungen der Tranche IHS 20 (ISIN: DE 00 0A 0E KH X6). Es handelte sich dabei um eine unterjährige Inhaberteilschuldverschreibung mit einem Zinssatz von 5,5 % und einer Laufzeit ab dem 1.5.2005; ...