Leitsatz (amtlich)

1. In der Gebäudeversicherung kann en Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz der Neuwertspitze auch dann zulässig sein, wenn eine Wiederherstellung oder Ersatzbeschaffung noch nicht sichergestellt ist.

2. Die Berufung des Versicherers auf die Ausschlussfrist ist ausgeschlossen, wenn sich der Versicherer über längere Zeit treuwidrig seiner Leistungspflicht entzieht.

3. Die Beweislast für eine arglistige Obliegenheitsverletzung trägt der Versicherer; der Versicherungsnehmer, dessen Kenntnis von einem mitteilungspflichtigen Umstand bewiesen ist, trägt hingegen die Beweislast für einen nachträglichen Wegfall dieser Kenntnis.

4. Der dem Versicherungsnehmer obliegende Beweis mangelnder Ursächlichkeit einer Obliegenheitsverletzung erfordert, dass der Versicherungsnehmer die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten sowie die weitergehenden Behauptungen des Versicherers ausräumt. Der Versicherer muss im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast allerdings die konkrete Möglichkeit eines günstigeren Ergebnisses aufzeigen.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 730/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.11.2019 - 8 O 730/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.430,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz, höchstens 5 %, hieraus seit dem 16.09.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 96 % und die Beklagte zu 4 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 61.807,54 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Versicherungsleistungen aus einer Inhaltsversicherung aufgrund eines Brandereignisses in der Nacht vom 30. zum 31.10.2015 geltend.

Sie unterhält bei der Beklagten für das Gebäude B ... xx in xxxxx D ... seit dem 21.03.2012 eine Inhaltsversicherung zum Neuwert (Anlage K1) unter Einbeziehung der AVB vom 01.02.2015 (Anlage K2). Die Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Regelungen:

§ 11

2.1.2. ... Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert der Sache durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand; ....

§ 12

2.1. Ist die Entschädigung zum Neuwert vereinbart, erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um ...

2.1.2. bewegliche Sachen, die zerstört wurden oder abhandengekommen sind, in gleicher Art und Güte im neuwertigen Zustand wieder zu beschaffen. ...

Das Objekt wird im Vertrag wie folgt beschrieben: "Büro, Lager, Kfz-Werkstatt, Lagerhaus, Garage". Das vierstöckige Gebäude wurde in den 70er Jahren in Plattenbauweise errichtet. Anfang der 90er Jahre wurde es als Ausbildungsbetrieb für die Lehrlingsausbildung und später bis Oktober 2011 als Hotel genutzt. Im Erdgeschoss befand sich ein Restaurant mit Kantine, im ersten und zweiten Obergeschoss Büro- und Unterrichtsräume und im dritten Obergeschoss Hotelzimmer. Nach Einstellung des Hotelbetriebes wurde das Gebäude von Mitarbeitern für Verwaltungstätigkeiten bis Ende 2014 genutzt. Ab Januar 2015 wurde das Gebäude als Lagerstätte für Geschäftsunterlagen und Betriebseinrichtungen verwendet, Wasserversorgung und Heizung wurden abgestellt. Die Klägerin beabsichtigte eine Nutzungsänderung in ein Asylbewerberheim. Ende Oktober 2015 fanden Entrümpelungsarbeiten statt. In der Nacht zum 31.10.2015 ist das Gebäude durch Brandstiftung beschädigt worden. Die Täter wurden mit Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 10.10.2017 wegen Brandstiftung verurteilt. Am 04.11.2015 fand eine Ortsbegehung statt, an der für die Beklagte das Sachverständigenbüro R ... teilnahm (Anlage K3). Für den Inhaltsschaden beauftragte die Beklagte das Sachverständigenbüro K ..., deren Mitarbeiter - der Zeuge P ... - eine Liste der beschädigten Einrichtungsgegenstände erstellt (Bl. 78 d. A.) und den Zeitwert auf 12.930,00 EUR geschätzt hat, wobei er für das PC-Kabinett (Computeranlage) von einem Baujahr 2003 und einem Zeitwert von 330,00 EUR ausging. Den Neuwert schätzte er auf 66.221,81 EUR. Die Klägerin erstellte ebenfalls eine Liste der beschädigten Gegenstände (Anlage K5) und ermittelte den Neuwert anhand aktueller Preise vergleichbarer Gegenstände in Höhe von 69.861,06 EUR. Am 07.12.2015 zahlte die Beklagte eine Vorauszahlung auf den Inhaltsschaden in Höhe von 10.000,00 EUR und auf den Gebäudeschaden in Höhe von 25.000,00 EUR. Die Beklagte stellte zum Ve...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?