Leitsatz (amtlich)
1. Für die Abgrenzung zwischen Befunderhebungsfehler und Diagnoseirrtum kommt es darauf an, ob es im Kern um die Nichterhebung oder die Fehlinterpretation von Befunden geht.
2. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ein nicht erhobener Befund ein reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht hätte, erfordert einen Wahrscheinlichkeitsgrad von mehr als 50 %.
Verfahrensgang
LG Zwickau (Aktenzeichen 1 O 553/19) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 08.02.2023 - 1 O 553/19 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 194.859,16 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin ist Miterbin ihres am 21.2.2018 im Alter von 55 Jahren verstorbenen Ehemannes (im folgenden Patient). Sie begehrt aus ererbtem Recht Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden und macht aus eigenem Recht Ansprüche auf Hinterbliebenenschmerzensgeld, Erwerbsschadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden geltend wegen einer behaupteten fehlerhaften Behandlung des Patienten im Hause der Beklagten im Zeitraum vom 25.01. bis zum 02.02.2017. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die auf Behandlungs- und Aufklärungsfehler gestützte Klage nach Einholung eines fachärztlichen Gutachtens abgewiesen. Zur Begründung ihrer auf Behandlungsfehlervorwürfe beschränkten Berufung rügt die Klägerin, die sachverständige Begutachtung sei widersprüchlich und unklar.
Sie beantragt,
unter Abänderung des am 8.2.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Zwickau, 1 O 553/19,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ..., bestehend aus der Klägerin und Frau ..., ..., ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 150.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld (Hinterbliebenengeld) in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ..., bestehend aus der Klägerin und Frau ..., ..., zum Ausgleich des Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis 21.02.2018 einen Betrag in Höhe von 10.200,00 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich ihres Erwerbsschadens für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis 21.02.2018 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.764,31 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Erbengemeinschaft hinter dem am 21.02.2018 verstorbenen ..., bestehend aus der Klägerin und Frau ..., ..., sämtliche materielle und immaterielle Zukunftsschäden ab Rechtshängigkeit zu ersetzen, die ihnen aus der fehlerhaften Behandlung des Erblassers, Herrn ..., in der Zeit vom 25.01.2017 bis 02.02.2017 durch die Beklagte resultieren, sofern diese nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
4. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.425,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die aus eigenem und ererbtem Recht geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld, Schadenersatz und Feststellung der Einstandspflicht gemäß §§ 630 a ff., 823 Abs. 1, 280, 253 BGB nicht zu.
1. Das Landgericht ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H... zu Recht und mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin der Nachweis eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens bei der streitgegenständlichen Behandlung ihres Ehemannes im Hause der Beklagten nicht gelungen ist.
Ausgehend von der sachverständigen Einschätzung des Behandlungsverlaufs hat das Landgericht zu Recht keinen Behandlungsfehler gesehen. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Z...