Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhalt: Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 S. 2 UVG im Erkenntnisverfahren

 

Verfahrensgang

AG Meißen (Urteil vom 11.08.2003; Aktenzeichen 8 F 0213/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.08.2006; Aktenzeichen XII ZR 26/04)

 

Tenor

I.1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Meißen vom 11.8.2003 aufgehoben.

2. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten aus übergeleitetem Recht (§ 7 Abs. 3 UVG) in Anspruch, da über das Landratsamt ... in der Zeit vom 26.8.1996 bis zum 9.5.2002 an das am ...1990 geborene Kind M. des Beklagten Unterhaltsvorschussleistungen erbracht wurden. Er verlangt die im Zeitraum vom 1.1.1998 bis zum 9.5.2002 geleisteten Zahlungen i.H.v. 7.046,89 Euro nebst Zinsen. In diesem Zeitraum erzielte der Beklagte Einkommen hauptsächlich aus Arbeitslosenunterstützung, Krankengeld und Erwerbsunfähigkeitsrente; der Beklagte leidet an Gicht und einem Tumor und ist zu 100 % schwerbehindert. Nach Auslaufen der Unterhaltsvorschussleistungen ließ er am 7.11.2002 eine Jugendamtsurkunde errichten über eine monatliche Unterhaltsrente von 57,70 Euro rückwirkend ab 1.6.2002; dieser Betrag wurde unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehaltes von 650 Euro durch das Jugendamt ermittelt.

Der Beklagte bezieht derzeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 707,70 Euro. Er bewohnt eine 23,83 qm große Einraumwohnung mit Ofenheizung und Toilette ohne Bad; die Miete beträgt 112,83 Euro.

Er ist der Auffassung, im maßgeblichen Zeitraum nur in geringem Umfang leistungsfähig gewesen zu sein. Eine Absenkung seines Selbstbehaltes wegen geringer Wohnkosten komme nicht in Betracht, da diese nur unter erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität erzielt würde. Vor allem aber führe ein Regress zu einer Gefährdung des von ihm laufend an seinen Sohn gezahlten Unterhaltes. Dies sei bereits im Erkenntnis- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.

Das AG hat der Klage in Höhe eines Betrages von 5.531,52 Euro stattgegeben, das Urteil jedoch nicht im Leistungsausspruch, sondern nur hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt. Es hat den Beklagten als für den maßgeblichen Zeitraum eingeschränkt leistungsfähig angesehen. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG stehe der Titulierung nicht entgegen. Solange der Beklagte zu laufendem Unterhalt für seinen Sohn verpflichtet sei, könne der Rückzahlungsanspruch lediglich nicht vollstreckt werden.

Gegen das ihm am 5.9.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.9.2003, bei Gericht eingegangen am 29.9.2003, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, § 7 Abs. 3 S. 2 UVG hindere nur die Vollstreckung, nicht jedoch die Titulierung.

Auf das angefochtene Urteil, die in der Berufung eingegangenen Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8.1.2004 wird ergänzend Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beklagte kann neben den laufenden Unterhaltsleistungen für seinen Sohn M. die Regressforderung des Freistaats Sachsen derzeit nicht erfüllen, und zwar unabhängig davon, ob aufgrund der geringen Wohnkosten, die mit einer deutlichen Einschränkung dessen einhergehen, was zu einem menschenwürdigen, zeitgemäßen Wohnen rechnet (kein Bad), der Selbstbehalt herabgesetzt wird oder nicht. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils; eine Herabsetzung des Selbstbehaltes würde allenfalls dazu führen, den derzeitigen Unterhaltsansproch des Kindes M. gegen seinen Vater zu erhöhen.

Damit steht fest, dass der Beklagte neben der Befriedigung der auf den Kläger übergangenen Forderung den laufenden Kindesunterhaltsanspruch zurzeit nicht bedienen könnte. Dies ist bereits im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen (ebenso: KG FamRZ 2000, 441 [442]; OLG Koblenz FamRZ 1977, 68 [69], beide zu § 1607 Abs. 4 BGB). Der Auffassung des AG, § 7 Abs. 3 S. 2 UVG hindere lediglich die Vollstreckung, nicht aber die Titulierung, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Bereits die in § 7 Abs. 3 S. 2 UVG verwandte Formulierung "Geltendmachen" lässt nicht darauf schließen, dass es sich um ein reines Vollstreckungsverbot handelt. "Geltendmachen" hat im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch vielmehr die Bedeutung von "in Anspruch nehmen", "Verlangen". Für eine im Rahmen des 7 UVG spezifische, vom allgemeinen Gebrauch abweichende Bedeutung sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. "Geltendmachen" umfasst damit sowohl das Erkenntnis- als auch das Vollstreckungsverfahren (vgl. auch Scholz, Unterhaltsvorschussgesetz, 2. Aufl., § 7 Rz. 8: "Geltendmachen, insb. Vollstreckung").

Diese Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 2 UVG führt im Ergebnis auch zu dem beabsichtigten ger...

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