Leitsatz (amtlich)
Die Beweislast für eine Reaktionsaufforderung des Fahrzeugführers gegenüber einem Fußgänger, der unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Fahrbahn betreten hat, trägt derjenige, der sich hierauf beruft. Es ist nicht Aufgabe des Fahrzeugführers, in einer solchen Konstellation die Unvermeidbarkeit des Zusammenstoßes zu beweisen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 30.09.2016; Aktenzeichen 8 O 3157/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden vom 30.09.2016 - 8 O 3157/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 95.892,12 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld i. H. eines Haftungsanteils von 2/3 von den Beklagten aus einem Verkehrsunfall vom 14.09.2010.
Der Beklagte zu 1. war Fahrer, der Beklagte zu 2. Halter und die Beklagte zu 3. Haftpflichtversicherung des Pkw Skoda Octavia ..... Der Beklagte zu 1. fuhr am 14.09.2010 gegen 6.10 Uhr mit eingeschaltetem Abblendlicht und unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf der S. Straße in L. in Richtung S. Der Kläger war als Fußgänger aus Sicht des Beklagten zu 1. am linken Rand der S. Straße unterwegs und beabsichtigte, die Straße auf einer Kuppe von links nach rechts zu überqueren. Der Kläger ließ das erste von zwei Fahrzeugen, welche sich aus seiner Sicht von links näherten, passieren und überquerte die Fahrbahn. Als sich der Kläger ca. 1 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt befand, wurde er von dem ungebremsten Pkw des Beklagten zu 1. mit der vorderen rechten Seite erfasst und in den Straßengraben geschleudert.
Der Kläger wurde schwer verletzt. Er erlitt u.a. eine Subarachnoidalblutung, eine Rippenfraktur, eine Beckenringfraktur, zahlreiche innere Verletzungen und eine Luxationsfraktur des linken Kniegelenkes sowie eine Schädelprellung. Er befand sich vom 14.09. bis 09.11.2010 im Krankenhaus F., wo er intensivmedizinisch behandelt werden musste und zahlreiche Operationen erfolgten. Es mussten unfallbedingt mehrere Zähne gezogen werden. Am 03.11.2010 wurde sein linker Oberschenkel amputiert. In der Zeit vom 09.11.2010 bis 12.02.2011 befand er sich in der Klinik B.. in K.. zur Rehabilitation. Er ist zu 70 % schwerbehindert und kann seinen Beruf als Busfahrer nicht mehr ausüben.
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten zu 1. gemäß § 170 II StPO eingestellt (142 Js 10540/11).
Der Kläger meint, die Beklagten seien zur Zahlung von Schadensersatz auf der Grundlage einer Haftungsquote von 2/3 zu ihren Lasten verpflichtet. Der Beklagte zu 1. habe den Unfall verursacht, denn er hätte den Kläger, der die Fahrbahn schon fast überquert hatte, erkennen und den Unfall vermeiden können. Die Unfallörtlichkeit sei von einer Straßenlaterne beleuchtet gewesen. Der Beklagte zu 1. habe gegen das Sichtfahrgebot verstoßen. Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung seiner beschädigten Kleidung, von Heilbehandlungskosten, Haushaltsführungsschaden, Besuchskosten seiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau und einem Erwerbsschaden. Das Schmerzensgeld sei i.H.v. 80.000,00 EUR angemessen.
Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe die Fahrbahn betreten, ohne sich über den Fahrzeugverkehr zu vergewissern. Für den Beklagten zu 1 sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Er habe den Kläger nicht gesehen. Als der Kläger aus dem Sichtschatten des Gegenverkehrs herausgetreten sei, sei nicht mehr genügend Zeit gewesen, um den Unfall zu vermeiden. Im Übrigen sei der Beklagte zu 1 durch den Gegenverkehr geblendet worden. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs trete wegen des grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers zurück. Der Schadensersatzanspruch werde auch der Höhe nach bestritten. Im Übrigen fehle es dem Kläger insoweit an der Aktivlegitimation, als Berufsgenossenschaft oder Dritte für die Kosten einstandspflichtig seien.
Das LG hat Beweis erhoben und der Klage teilweise auf der Grundlage einer Haftungsquote von 1/3 zu Lasten der Beklagten stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG vom 30.09.2016 Bezug genommen. Hiergegen haben der Kläger und die Beklagten Berufung eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, unzutreffend sei das LG nur von einer Haftungsquote der Beklagten von 1/3 ausgegangen und behauptet, er habe zügig und auf kürzestem Weg und nachdem er nach links und nach rechts geblickt habe, die Straße überquert. Der Beklagte zu 1. habe demgegenüber eingeräumt, dass er die Unfallörtlichkeiten und die Gefahr des Blendens durch den Gegenverkehr kenne, weil es sich um seinen Arbeitsweg handele. Gleichwoh...