Leitsatz (amtlich)
1. Treffen sich befreundete Schüler zum gemeinsamen Musikhören, ist eine bei dieser Gelegenheit durch einen Schuss mit einer sog. "Soft-air"-Waffe verursachte Augenverletzung eines Beteiligten auch dann nicht als Folge der Teilnahme an einem sportlichen Kampfspiel anzusehen, wenn der Verletzte mit einer ähnlichen Waffe dabei selbst auf den Schützen geschossen hat.
2. Zur Frage des (hier verneinten) Mitverschuldens des Geschädigten in einem solchen Fall.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 254 Abs. 1, § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 10.04.2008; Aktenzeichen 8 O 3152/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Dresden vom 10.4.2008 - 8 O 3152/07, abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der Verletzung des linken Auges des Klägers infolge des Schusses vom 19.8.2006 entstanden sind, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.
2. Von den Kosten der 1. Instanz hat der Kläger 70 % und der Beklagte 30 % zu tragen. Die Kosten der 2. Instanz hat der Beklagte allein zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
bis zur Rücknahme der Anschlussberufung 3.000 EUR.
nach Rücknahme der Anschlussberufung 1.500 EUR.
Tatbestand
Der damals 16-jährige Kläger und der 19 Jahre alte Beklagte trafen sich am 19.8.2006 in der Wohnung der Eltern des Beklagten, um in dessen Zimmer gemeinsam mit dem Zeugen F Musik zu hören. Der Beklagte holte nach einer gewissen Zeit eine in seinem Besitz befindliche "Soft-air"-Pistole hervor und schoss damit auf den Kläger und F, die den Beklagten darum baten, mit dem Schießen aufzuhören. Sie versuchten, sich mit Kissen vor den Schüssen zu schützen. Schließlich konnte F dem Beklagten die Pistole wegnehmen. Der Beklagte holte darauf ein "Soft-air"-Gewehr und schoss damit vom Flur der Wohnung durch die einen Spalt geöffnete Tür in das Zimmer auf den Kläger und F. Der Kläger nahm die Pistole und schoss damit in Richtung des Beklagten, wobei er sich ein Kissen vor das Gesicht hielt. Er wurde durch einen vom Beklagten abgegebenen Schuss aus dem Gewehr am Auge getroffen und verletzt.
Der Kläger fordert Schmerzensgeld und die Feststellung, dass der Beklagte zum Ersatz noch eintretender Schäden verpflichtet sei. Das LG hat der Klage nur zum Teil stattgegeben und ist dabei von einem hälftigen Mitverschulden des Klägers ausgegangen. Die Berufung des Klägers, die nur den Feststellungsantrag zum Gegenstand hatte, war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
I. Die Parteien haben in 1. Instanz um Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten wegen einer Verletzung des Klägers gestritten. In 2. Instanz ist nur noch die Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu 100 % im Streit.
Das LG, auf dessen Entscheidung für den Sachverhalt und die erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird, ist von einem hälftigen Mitverschulden des Klägers ausgegangen.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, das LG habe zu Unrecht ein Mitverschulden angenommen. Der Kläger habe sich nicht in die Lage einer bewussten Eigengefährdung begeben. Es habe keine Verabredung zum Schießen gegeben. Der Beklagte sei zum Aufhören aufgefordert worden. Der Kläger habe auch keine Möglichkeit gehabt, dem Schießen zu entgehen. Die Schüsse, die der Kläger selbst abgegeben habe, hätten nur den Beklagten vom Schießen abhalten sollen.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des am 10.4.2008 verkündeten Urteils des LG Dresden, Az. 8 O 3152/07, wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu 100 % zu ersetzen, die aufgrund der Verletzung des linken Auges infolge des Schusses vom 19.8.2006 entstanden sind, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass der Kläger die Wohnung hätte verlassen können. Die Schüsse seien mehrfach hin und her gegangen. Es sei auch zu beachten, dass der Kläger das Kissen vom Gesicht genommen habe.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden ist ohne Einschränkung auszusprechen.
1. Die Feststellungsklage ist gem. § 256 ZPO zulässig. Es besteht ein Feststellungsinteresse, da vom Beklagten eine Schadensersatzpflicht geleugnet wird und der Kläger angesichts der erlittenen Verletzungen noch Spätfolgen zu befürchten hat. Insbesondere besteht nach den vorgelegten Unterlagen angesichts der erlittenen Contusio bulbi ein erhöhtes Risiko einer Netzhautablösung.
2. Dem Grunde nach ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die durch den Schuss des B...