Leitsatz (amtlich)
Dass theoretisch verschiedene Alternativen zur Entfernung einer dringend krebsverdächtigen Hautläsion bestehen, verpflichtet den Arzt nicht zu einer Aufklärung hierüber, wenn nur eine dieser Alternativen dem maßgeblichen Behandlungsstandard entspricht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 1527/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. März 2018 - 7 O 1527/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das angefochtene Urteil sowie das Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 70.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz sowie Schmerzensgeld wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung.
Er litt u.a. an myeloischer Leukämie, Graft-versus-Host Krankheit der Haut und des Darms, an einer chronischen Niereninsuffizienz sowie einer schweren beidseitigen Mischpneumonie und befand sich seit Jahren in Behandlung bei der Beklagten. Im Januar 2015 zeigte sich im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule ein rasch wachsender, blutender Tumor der Haut. Nach der am 24.03.2015 im Hause der Beklagten durchgeführten Probeexzision konnte im histologischen Befund vom 30.03.2015 ein Plattenepithelkarzinom nicht sicher ausgeschlossen werden. Dem Kläger wurde die Exzision des Tumors empfohlen. Er wurde am 13.04.2015 bei der Beklagten stationär aufgenommen. Am 16.04.2015 fand ein Aufklärungsgespräch statt, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist. Am 17.04.2015 wurde eine en-bloc-Exzision durchgeführt und ein Vakuumverband (VAC-Anlage) angelegt. Die histologische Untersuchung des Hautexzitates (10,1 × 10,0 × 2,4 cm) ergab keinen Anhalt für Malignität und den Befund einer Verruca vulgaris (Warze).
Der Kläger hat behauptet, der Eingriff sei nicht indiziert gewesen, jedenfalls nicht dringend. Die Operation sei noch vor dem Ergebnis des histologischen Befundes der Probeexzision durchgeführt worden. In jedem Fall hätte unmittelbar vor der Operation oder intraoperativ eine Beprobung stattfinden müssen. Die großflächige komplette Exzision des Tumors sei fehlerhaft gewesen. Darüber hinaus seien ohne seine Zustimmung und ohne sein Wissen Hautschuppen während der Operation entfernt worden. Er sei vor der Operation nicht ausreichend über die Möglichkeit einer weiteren Probeentnahme oder des Zuwartens aufgeklärt worden. Behandlungsalternativen seien nicht besprochen worden. Auch auf die Anlage eines Vakuumverbandes sei er nicht hingewiesen worden. Wäre er umfassend aufgeklärt worden, hätte er sich anderweitig vorgestellt, um eine konservative Behandlungsmöglichkeit abklären zu können. Er leide wegen der großen Narbe bis heute an Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Ihn strenge Stehen und Sitzen erheblich an und er sei in der Haushaltsführung beeinträchtigt. Er habe daher Anspruch auf Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR sowie einen monatlichen Haushaltsführungsschaden.
Die Beklagte hat behauptet, im Hinblick auf das extrem schnelle Wachstum des Tumors sowie dessen makroskopisches Erscheinungsbild und unter Berücksichtigung der Grunderkrankungen des Klägers sowie der Immunsuppression sei die unverzügliche Entfernung des gesamten Tumors indiziert gewesen und behandlungsfehlerfrei erfolgt. Aufgrund der Größe der Läsion und der blutenden Eigenschaft wäre eine konservative Behandlung auch überhaupt nicht möglich gewesen. Eine unzulässige Operationserweiterung habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei das Operationsgebiet dreifach sterilisiert und mit einer pflegenden Creme behandelt worden. Der Kläger sei auch ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hätte er sich bei korrekter Aufklärung für den Eingriff am 17.04.2015 entschieden.
Das Landgericht hat den Kläger und den Zeugen Dr. A. angehört, ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T. eingeholt und die Klage mit Urteil vom 05.03.2018 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.
Mit der Berufung beanstandet der Kläger die Annahme des Landgerichtes, dass der Eingriff indiziert gewesen sei. Die Malignität hätte vor dem Eingriff abgeklärt werden müssen, um die großflächige Exzision des Tumors zu vermeiden. Bei einer weiteren Probebiopsie hätte sich ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt und damit wäre das Ausmaß der Exzision wesentlich geringer geworden. Das Sachverständigengutachten des Prof. T. sei unzureichend. Es sei nicht erkennbar, was Grundlage der Begutachtung sei, denn Krankenunterlagen, Diagnosen und Befunde sowie die komplette Anamnese des Klägers fehlten. Der Sachverständige habe seine Aussagen weder begründet noch mit Literatur unterlegt. Der Kläger sei nicht korrekt aufgeklärt worden - insbe...