Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung liegt auch dann vor, wenn der Schaden durch den Versicherungsnehmer freiwillig herbeigeführt wurde.
2. Ob der Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt wurde, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien festgestellt werden; die Beweislast hierfür trägt der Versicherer.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1261/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 26.05.2002 - 3 O 1261/19 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt an die ... GmbH zu Gunsten der Leasing Vertragsnummer 00000000 einen Betrag in Höhe von 52.009,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Erstattung des nicht anrechenbaren Teils der außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2390 VV RVG zuzüglich Auslagen in Höhe von 1.954,46 EUR durch Zahlung an die Rechtsanwälte F ..., G ... & Kollegen, ... freizustellen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 52.009,24 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege gewillkürter Prozessstandschaft die Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer bei ihr gehaltenen Vollkasko-Kfz-Versicherung. Der Kläger erwarb im Jahre 2017 den streitgegenständlichen Pkw ... und finanzierte diesen Kauf mit Hilfe eines Leasing-Vertrages bei der ... GmbH, in dem er zugleich ermächtigt und verpflichtet wurde, im Schadensfall Ansprüche auf eigene Kosten und im eigenen Namen zugunsten der finanzierenden Bank geltend zu machen. Mit Wirkung zum 24.04.2017 schloss er einen Kasko-Versicherungsvertrag für das Fahrzeug bei der Beklagten. Auf das Vertragsverhältnis finden die AKB 2015 der Beklagten Anwendung. Am 03.07.2018 prallte der Kläger, nachdem er beim Anfahren sein Fahrzeug stark beschleunigt hatte, frontal gegen einen Straßenbaum. Das Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden, die Schadenshöhe beträgt unstreitig 53.009,24 EUR. Der Kläger macht diesen Betrag abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 1.000,00 EUR gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte hat eine Regulierung des Schadens abgelehnt, weil der Kläger den Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt habe. Damit greife die vereinbarte Ausschlussklausel.
Das Landgericht hat nach Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens nebst ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. R ... die Klage abgewiesen. Zugunsten des Klägers sei zwar auf der Grundlage der vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen eine Suizidabsicht nicht bewiesen. Auch könne dahinstehen, ob der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Sein Verhalten stelle sich jedenfalls deswegen als grob fahrlässig dar, weil er es versäumt habe, den durch die Beschleunigung ausgelösten Driftvorgang dadurch abzuwenden, dass er den Fuß vom Gaspedal genommen hätte. Dies stelle sich als so schwerwiegendes Versäumnis dar, dass hier ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt sei.
Mit der am 05.06.2020 eingegangenen Berufung gegen das ihm am 26.5.2020 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel uneingeschränkt weiter. Er rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht. Das Landgericht habe verkannt, dass eine Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung eines Verkehrsunfalls - erst recht eine solche auf Null - nach den zwischen den Parteien vereinbarten AKB ausgeschlossen sei. Die Tatsachenfeststellung, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe, sei ebenfalls fehlerhaft. Tatsächlich könne ihm allenfalls vorgeworfen werden, nicht optimal auf die initial eingeleitete Driftbewegung reagiert zu haben. Das sei höchstens leicht fahrlässig. Obendrein habe das Landgericht entlastende und vom Kläger auch vorgetragene Umstände nicht gewürdigt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des am 26.05.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, Aktenzeichen: 03 O 1261/19, die Beklagte zu verurteilen an die ... GmbH zu Gunsten der Leasingvertragsnummer 00000000 einen Betrag in Höhe von 52.009,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
sowie
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Erstattung des nicht anrechenbaren Teils der außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß Nummer 2300 VV RVG zuzüglich Auslagen in Höhe von 1.954,46 EUR durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt...