Verfahrensgang

AG Hohenstein-Ernstthal (Entscheidung vom 23.10.2008)

 

Tenor

  • 1.

    Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 23. Oktober 2008 wird verworfen.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal hat mit Urteil vom 23. Oktober 2008 die Angeklagte vom Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr frei gesprochen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte (Sprung-)Revision der Staatsanwaltschaft. Sie rügt, das Amtsgericht habe zu Unrecht ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Angeklagten festgestellten Blutalkoholkonzentration angenommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 23. Oktober 2008 aufzuheben das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zwar zulässig erhoben, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Annahme Verwertungsverbotes hinsichtlich der bei der Angeklagten - auf der Grundlage der polizeilich angeordneten Blutentnahme - festgestellten Blutalkoholkonzentration ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1.

Nach § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Der Richtervorbehalt - auch der einfach gesetzliche - zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahmen in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 96, 44 ff., 103, 142, 151 m.w.N.). Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (vgl. BVerfGE 103, 142, 155 f.). Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (BVerfGE 103, 142, 160). Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfGE 103, 142, 156 f.; BVerfG NJW 2007, 1345 ff.).

Die Frage, welche Folgen sich aus der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts in § 81 a Abs. 2 StPO ergeben, hat der Gesetzgeber nicht entschieden (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 19. März 2009 - 2 Ss 15/09). Ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich ziehe, ist dem Strafverfahrensrecht fremd (BGHSt 44, 243, 249). Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (BGHSt a.a.O.). Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme Verwertungsverbotes, wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, eines der Prinzipien des Strafverfahrensrechts nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt a.a.O. m.w.N.). Von einem Beweisverwertungsverbot ist deshalb nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbotes unerträglich wäre (BGHSt 51, 285, 290).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass in Fällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, weil der Staat aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen (vgl. BGHSt 24, 125, 131). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei bewusster Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot angenommen (vgl. BGHSt 51, 285 ff. f...

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