Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 05 O 381/21) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24.08.2021 (Az. 5 O 381/21) wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Leipzig sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden gegen Zahlung von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte zuvor 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages hinterlegt.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen und Bieterin im Verfahren der Beklagten zur Vergabe der Stromkonzession für den Ortsteil O1.
Die Beklagte machte am 25.01.2018 das Auslaufen des Stromkonzessionsvertrages im Ortsteil O1 zum 31.12.2019 im Bundesanzeiger bekannt und teilte mit, dass sie einen neuen Stromkonzessionsvertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren ab dem 01.01.2020 bis zum 31.12.2039 abschließen wolle. Mit Beschluss vom 28.03.2018 bekundete die Klägerin ihr Interesse am Abschluss des Stromkonzessionsvertrages. Die Beklagte übersandte am 14.01.2019 per Email den ersten Verfahrensbrief, dem als Anlage der Entwurf eines Konzessionsvertrages sowie die vom Rat der Stadt am 06.12.2018 beschlossenen Auswahlkriterien beigefügt waren. Sie fordere zur Abgabe indikativer Angebote bis zum 15.03.2019 auf. Mit Schreiben vom 28.02.2019 rügte die Klägerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG die Auswahlkriterien. Die Beklagte versendete einen zweiten Verfahrensbrief vom 05.02.2019 und forderte zur Abgabe des indikativen Angebotes bis zum 29.03.2019 auf.
Am 29.03.2019 reichte die Klägerin ihr Angebot ein. Nach Bietergesprächen am 27.05.2019 forderte die Beklagte mit dem dritten Verfahrensbrief vom 05.06.2019 die Bieter auf, ihre verbindlichen Angebote bis zum 26.07.2019 abzugeben. Die Klägerin reichte am 25.07.2019 ihr Angebot ein.
Mit Schreiben vom 12.11.2019, das bei der Klägerin per Email am 13.11.2019 einging, teilte die Beklagte mit, dass das Angebot der Mitbieterin mit 93,2 Punkten, das der Klägerin mit 85,1 Punkten bewertet wurde und der Stadtrat in seiner Sitzung am 07.11.2019 beschlossen habe, dass die Beklagte beabsichtige, den Stromkonzessionsvertrag mit der Mitbieterin zu schließen. Diese ist die bisherige Konzessionärin bezüglich des Ortsteils O1.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 22.11.2019 Akteneinsicht gemäß § 47 Absatz 3 EnWG. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Email vom 06.12.2019 Akteneinsicht. In einer begleitenden Email vom 06.12.2019 (Anlage K1 = Bl. 81 dA) führte die Beklagte aus:
"Trotz des Fristversäumnisses gemäß § 47 Absatz 3 Satz EnWG gewähren wir hiermit die begehrte Akteneinsicht. Bitte beachten Sie, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geschieht."
Mit Email vom 13.12.2019, die bei der Beklagten am 13.12.2019 um 17.03 Uhr einging, erhob die Klägerin Rügen bezüglich der Auswertung.
Die Beklagte half den Rügen mit Schreiben vom 12.02.2020 wegen Verfristung und materieller Präklusion etwaiger Rechtsverletzung im Rahmen der Auswahlentscheidung vom 07.12.2019 nicht ab. Sie teilte mit, dass ihr das Schreiben mit den Rügen gemäß § 130 Absatz 1 Satz 1 BGB erst am 16.12.2020 und damit nach Ende der 30-Tage-Frist zugegangen sei. Auf die Rügen erwidere sie nachrichtlich.
Der Senat hat mit Urteil vom 27.01.2021 (U 6/20 Kart) - in Abänderung eines Urteils des Landgerichts Leipzig vom 25.08.2020 (Az. 5 O 452/20) - einen Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung der Netzvergabe zurückgewiesen. Hierauf hat die Beklagte am 22.04.2021 mit der Streithelferin einen neuen Konzessionsvertrag geschlossen.
Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren weiter geltend, dass die Konzessionsvergabe nicht den aus § 19 Absatz 2 Nr. 1 GWB und § 46 Absatz 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen genüge. Der von der Beklagten am 22.04.2021 geschlossene Vertrag sei nichtig. Die Beklagte habe über ihre fristgemäß am 13.12.2019 um 17.03 Uhr eingereichten Rügen nicht entschieden. § 130 BGB gelte für die Frist des § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG nicht. Die Rügefrist sei zudem erst am 05.01.2020 abgelaufen, da sie nach der Gewährung der Akteneinsicht am 06.12.2019 zu laufen begonnen habe (§ 47 Abs. 2 S. 4 EnWG). Die Beklagte habe den Konzessionsvertrag mit der Streithelferin geschlossen, ohne zuvor über die Rügen der Klägerin entschieden zu haben, hierdurch seien ihre Chance auf die Konzession beeinträchtigt und sie unbillig behindert worden.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
festzustellen, dass der Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet O1, den die Beklagte auf Grund ihres Stadtratsbeschlusses vom 07.11.2019 mit der Y AG geschlossen hat, nichtig ist.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin, die den Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, haben in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuwe...