Leitsatz (amtlich)
Ist über mehrere angeblich fingierte Unfälle mit mehreren Tätern zu entscheiden, darf wegen eines Tatkomplexes kein Teilurteil über die Haftung nur eines Unfallbeteiligten ergehen, weil die Tathandlung zwingend deren Zusammenwirken voraussetzt.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 3223/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) und zu 4) wird das Teilurteil des Landgerichts Dresden vom 30.11.2018 - 8 O 3223/10 - einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens - aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückgewiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 18.488,78 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässigen Berufungen der Beklagten zu 3) und zu 4) führen zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Dresden gemäß §§ 538 Abs. 2 Nr. 7, 301 ZPO. Ein Teilurteil hätte hier nicht ergehen dürfen.
1. Ein Teilurteil ist auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands nur zulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind. Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge, aber auch bei Klagen gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung) auftreten. Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich diesen Streitgenossen berühren (BGH, Urteil vom 15. November 2018, III ZR 69/17 - juris; Urteil vom 21. November 2017 - VI ZR 436/16; Urteil vom 20. Dezember 2016 - VI ZR 395/15, jeweils mwN). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Landgericht hat über die Klage gegen den Beklagten zu 1) nicht entschieden, weil sie wegen des Tatkomplexes vom 19.01.2007 noch nicht entscheidungsreif war, und hat die Verurteilung der Beklagten zu 3) und 4) auf das Tatgeschehen vom 16.08.2005 gestützt. An diesem Tatgeschehen war aber neben den Beklagten zu 3) und zu 4) auch der Beklagte zu 1) als Halter und Fahrer des bei der Klägerin versicherten Pkw VW Touran MEI-XX xxx beteiligt (Fallakte 12 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte 320 Js 660/08). Dabei soll nach der Unfallschilderung der Beteiligten gegenüber der Klägerin der Beklagte zu 1) auf einer engen kurvenreichen Straße einen Hustenanfall erlitten haben und auf die gegenüberliegende Straßenseite gekommen sein. Dabei sei er mit dem von der Beklagten zu 3) geführten Fahrzeug zusammengestoßen. Die Klägerin hat den Schaden der Beklagte zu 3) und auch den Kasko-Schaden des Beklagten zu 1) reguliert. Die Frage, ob eine Unfallmanipulation am Schadenstag 16.08.2005 vorlag, kann für den Beklagten zu 1) einerseits und für die Beklagten zu 3) und 4) andererseits nicht unterschiedlich beantwortet werden. Denn ein fingierter Unfall setzt zwingend ein Zusammenwirken der Unfallgegner voraus.
2. Für das weitere Verfahren vor dem Landgericht erteilt der Senat folgende Hinweise:
Zwar trifft es zu, dass das Strafurteil des Amtsgerichts Dresden vom 17.07.2014 (206 Ls 320 Js 660/08) keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.2005 - IV ZR 140/04 - juris). Der Zivilrichter muss sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden (so BGH, a.a.O.). Allerdings darf er bei engem rechtlichem und sachlichem Zusammenhang von Zivil- und Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile auch nicht völlig unberücksichtigt lassen, er ...