Leitsatz (amtlich)
1. In der Mitteilung über eine Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung ist der Hinweis erforderlich, dass ein in Gesetz oder Tarifbestimmungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde; die Formulierung, eine Beitragsanpassung erfolge, wenn die Werte "hinreichend genug" abweichen, reicht zur Umschreibung dieses Schwellenwertmechanismus nicht aus.
2. Für eine wirksame Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung kann der Kläger die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses abwarten, zu dessen Einzahlung ihm eine Frist von in der Regel einer Woche zuzugestehen ist. Ihm zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten in der Regel als geringfügig.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2987/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 30.11.2022 - 8 O 2987/21 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 392,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.02.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die folgenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung zur Versicherungsnummer K 0.000000 im Tarif Esprit zum 01.01.2018 i.H.v. 16,37 EUR/Monat unwirksam ist und der Kläger nicht zur Tragung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie seit dem 01.01.2018 bis zum 16.2.2022 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger auf die Beitragserhöhungen zum 1.1.2018 gezahlt hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger 95 % und die Beklagte 5 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 13.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet.
A Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrag grundsätzlich bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris).
B 1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien im Tarif Esprit lediglich für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2019 (16,37 EUR × 24 Monate) in Höhe von 392,88 EUR gemäß § 812 BGB zu.
Die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 ist unwirksam (a), die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 ist jedoch formell wirksam und bildet ab diesem Zeitpunkt eine geeignete Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner gesamten Höhe (b). Die Prämienansprüche sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bis zum 31.12.2018, sondern bis zu 31.12.2017 verjährt (c).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte übersteigt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen nicht entscheidend (so BGH, a.a.O., Rdnr. 35). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird (vgl. hierzu Urteil Senat vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21).
Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände diese aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechnungsgrundlage des geltenden Schwellenwertes oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechtsgr...