Leitsatz (amtlich)
1. Sonderbedingungen eines Versicherers für die Krankentagegeldversicherung für Berufssportler, die an den Begriff des Nettoeinkommens in § 4 MB/KT anknüpfen, sind intransparent, wenn dieser Begriff nicht näher erläutert wird.
2. Die Anordnung der Anrechnung von Verletztengeld ist ebenfalls intransparent, wenn unklar bleibt, wie sie rechnerisch im Einzelnen erfolgen soll.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 08.06.2015; Aktenzeichen 8 O 2575/15) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Dresden vom 08.06.2015 - 8 O 257/15 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 21.772,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.378,00 EUR ab 09.09.2016 und aus 7.394,40 EUR ab 15.11.2016 zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 60.901,18 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die ungekürzte Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von 200,00 EUR kalendertäglich für den Zeitraum 02.03.2015 bis 14.10.2016. Seit dem 14.7.2016 ist er berufsunfähig.
Der Kläger war bis zum 30.6.2016 Berufsfußballspieler. Er schloss mit der Beklagten zum 01.01.2011 unter Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KT 2009 mit Tarifbedingungen TBB) u.a. eine Krankentagegeldversicherung ab. Im Versicherungsschein (Anlage K 2) ist die Zahlung eines Krankentagegeldes von 200,00 EUR ab dem 43. Tag vereinbart.
§ 4 der Versicherungsbedingungen der Beklagten hat folgenden Wortlaut:
§ 4 Umfang der Leistungspflicht
...
2. Das Krankentagegeld darf zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten zwölf Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht.
2.1 Zahlungen jeder Art, die an die Stelle des Krankengeldes der gesetzlichen Krankenversicherung treten, sind dem Bezug von Krankengeld gleichgestellt.
...
4. Erlangt der Versicherer davon Kenntnis, dass das Nettoeinkommen der versicherten Person unter die Höhe des dem Vertrag zu Grund gelegten Einkommens gesunken ist, so kann er ohne Unterschied, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung von Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen ...
Im Tarif TBB heißt es unter Tarifleistungen in Ziffer 1.2 wie folgt:
In Ergänzung zu § 4 Abs. 2 bzw. 2.1 AVB wird bei Berufsunfällen das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft bei der Ermittlung des Krankentagegeldanspruches angerechnet, sofern Krankentagegeld und Verletztengeld das Nettoeinkommen übersteigen.
Seit dem 19.01.2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt; am 14.7.2016 wurde seine Berufsunfähigkeit medizinisch festgestellt. Für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum erhielt er ein Verletztengeld der Berufsgenossenschaft in Höhe von 186,67 EUR/Tag. Die Beklagte zahlte ab dem 02.03.2015 Krankentagegeld in Höhe von 97,30 EUR/Tag. Hierbei legte sie einen "versicherbaren Krankentagegeldsatz" von 283,97 EUR zugrunde, von dem sie das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft in Abzug brachte.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte das Krankentagegeld zu Unrecht um das Verletztengeld gekürzt hätte. § 4 Abs. 2 AVB der Beklagten sei ein rechtsfolgenloser Programmsatz und die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 AVB seien nicht gegeben. Im Übrigen seien diese Regelungen unwirksam. Die Krankentagegeldversicherung sei eine Summenversicherung und ein Verdienstausfall sei keine Anspruchsvoraussetzung.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Kürzung zu Recht erfolge. Der Arbeitgeber des Klägers habe - insoweit unstreitig - den Bruttoverdienst mit monatlich 10.649,00 EUR angegeben. Davon seien nach den internen Annahmerichtlinien der Beklagten 80 % versicherbar. Hieraus errechne sich ein versicherbarer Krankentagegeldsatz von 283,97 EUR. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien wirksam. Es sei kein vernünftiger Grund vorhanden, weshalb der Versicherte während der Erkrankung mehr erhalten solle als bei Arbeitsfähigkeit. Anderfalls läge eine Äquivalenzstörung vor. Schließlich enthielten die Tarifbestimmungen TBB eine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung. Die Klausel sei auch nicht überraschend. Schließlich könne die Krankentagegeldversicherung als Summen-, aber auch als Schadensversicherung ausgestaltet werden.
Das LG hat der Klage stattg...