Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an die Strafbarkeit eines Unterlassungsdelikts
Verfahrensgang
LG Leipzig (Entscheidung vom 14.05.2013; Aktenzeichen 14 Ns 301 Js 23642/10) |
Tenor
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. Mai 2013 werden als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die der Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Die der Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die gerichtlichen Auslagen tragen die Nebenkläger und die Staatskasse je zur Hälfte.
Gründe
I.
Mit Anklageschrift vom 3. März 2011 hatte die Staatsanwaltschaft der Angeklagten vorgeworfen, durch dieselbe Handlung durch Unterlassen fahrlässig einen Menschen getötet und eine Körperverletzung begangen zu haben. Auf die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte das Amtsgericht die Angeklagte am 10. November 2011 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verurteilt.
Auf die dagegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichtes aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, mit denen jeweils eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung angestrebt worden war, hat das Landgericht als unbegründet verworfen.
Gegen das freisprechende Urteil des Landgerichtes wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger S. und M. R., mit denen jeweils die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich die in der 36. Woche schwangere Xxx am 27. September 2008 gegen 17.00 Uhr auf Anraten der sie betreuenden Hebamme in die Universitätsklinik Leipzig, weil sie ein Ziehen im Oberbauch verspürte. Xxx hatte bereits im Jahr 2005 ein Kind mittels Kaiserschnitt (Sectio) zur Welt gebracht. Dabei war ein sogenannter "T-Schnitt" durchgeführt worden, der jedoch nicht im Mutterpass vermerkt worden war. Bei der Aufnahme in der Universitätsklinik Leipzig teilte Xxx der diensthabenden Hebamme J mit, dass sie Schmerzen im Oberbauch habe und ihr erstes Kind durch Kaiserschnitt entbunden hatte. Ein zwischen 18.46 Uhr und 19.14 Uhr geschriebenes CTG ergab keine Unregelmäßigkeiten. Die Herztöne des ungeborenen Kindes waren in Ordnung. Es wurde eine Wehentätigkeit von fünf Wehen pro zehn Minuten dokumentiert. Eine durch die diensthabende Ärztin Dr. R. durchgeführte vaginale Untersuchung ergab einen unreifen Muttermund. Xxx entschied sich, in der Klinik zu bleiben und wurde gegen 20.00 Uhr im Tokolysezimmer untergebracht. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt Schmerzen, von denen die diensthabende Hebamme im Gegensatz zu Xxx annahm, dass es sich um Senkwehen handele. Um 21.00 Uhr führte die diensthabende Ärztin eine Ultraschalluntersuchung durch, die einen zeitgerecht entwickelten Fötus, eine intakte Nabelschnur und eine über der Mindestdicke liegende Narbendicke des Uterinsegmentes ergab.
Gegen 21.45 Uhr trat die Angeklagte mit zwei Hebammenschülerinnen ihren Dienst an. Xxx äußerte gegenüber einer der Schülerinnen, dass sie alle fünf Minuten Wehen habe. Zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr hatte die Angeklagte erstmals persönlichen Kontakt mit Xxx. Eine gegen 23.00 Uhr durchgeführte Untersuchung des Muttermundes ergab, dass dieser geschlossen war. Bei dieser Untersuchung gab Xxx an, dass sie Schmerzen habe.
Zwischen 23.15 Uhr und 23.20 Uhr, während die Angeklagte einer anderen Patientin ein CTG anlegte, erlitt Xxx einen Wehensturm und eine sich daran anschließende Uterusruptur. Aufgrund dieser Ruptur lag der in der Fruchtblase befindliche Fötus getrennt und außerhalb von der Gebärmutter in der freien Bauchhöhle. Die damit einhergehende Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr führte zum Hirntod des Fötus, der acht bis zehn Minuten nach der Unterbrechung eintrat. Nach der Ruptur empfand Xxx keine Schmerzen mehr. Als ein gegen 23.30 Uhr geschriebenes CTG nur schlechte Herztöne ergab, wurde durch die diensthabende Ärztin um 23.38 Uhr eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt und die diensthabende Oberärztin Dr. P. verständigt. Diese ordnete zeitgleich mit einer durch sie selbst vorgenommenen Ultraschalluntersuchung um 23.50 Uhr eine Notsectio an, die um 23.55 Uhr zur Entbindung des hirntoten Fötus führte. Nach einer künstlichen Beatmung des Kindes wurde am 7. Oktober 2008 dessen Tod festgestellt.
II.
Die Urteilsgründe des Landgerichts tragen im Ergebnis den Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Sie lassen auch keine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung zu.
1.
Allerdings halten die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es den Beginn des Geburtsaktes, damit den Beginn menschlichen Lebens und somit den Vorwurf der fahrlässigen Tötung verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
Zur...