Leitsatz (amtlich)

1. Zur wirksamen Aufklärung vor einer Herzkatheteruntersuchung mit anschließendem Verschluss einer Koronarfistel mittels eines Coildrahtes im Jahr 2004: Der Patient ist über die fehlende Dringlichkeit des Eingriffs und über die Möglichkeit aufzuklären, die Operation abzuwarten und die weitere Entwicklung abzuwarten. Weiter ist er über die Möglichkeit einer Operation aufzuklären, ohne dass er allerdings darüber aufgeklärt werden müsste, dass die Operation "off pump" erfolgt.

2. Der Arzt darf einen Patienten auch über die erteilte Einwilligung hinaus behandeln, wenn das Aufklärungsbedürfnis sich erst während der Herzkatheteruntersuchung herausstellt und er annehmen darf, dass der Kranke bei entsprechender Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte (notfallmäßige Einbringung eines Stents während der Herzkatheteruntersuchung nach Verschiebung des Coils).

3. Wenn die Berufungsbegründung gegen das eine wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehler erhobene Klage abweisende Urteil sich nur mit der Frage auseinandersetzt, ob eine wirksame Aufklärung vorliegt, ist der Streitgegenstand der Berufung auf diese Frage beschränkt.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 29.10.2009; Aktenzeichen 6 O 4490/07)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Leipzig vom 29.10.2009 - 6 O 4490/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 130.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einer am 7.4.2004 erfolgten Herzkatheteruntersuchung (HKU) mit anschließendem Verschluss einer Koronarfistel mittels eines Coildrahtes sowie unzureichender Aufklärung über die Risiken dieses Eingriffs und mögliche Alternativen in Anspruch. Es wird zur weiteren Darstellung des Streitstandes auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das LG hat die Klage abgewiesen. Ein Behandlungsfehler sei den handelnden Ärzten der Beklagten nicht unterlaufen. Der Kläger habe weder bewiesen, dass die Durchführung des Fistelverschlusses nicht indiziert gewesen noch dass bei der HKU der Facharztstandard durch die Beteiligung des Assistenzarztes Dr. ... nicht gewahrt worden sei. Ein intraoperatives Konsil unter Beteiligung eines Herzchirurgen sei nicht erforderlich gewesen, zumal ein operatives Vorgehen in dieser Situation mit erheblich höheren Risiken behaftet gewesen wäre. Es sei auch nicht fehlerhaft gewesen, dass sich die beteiligten Ärzte zur Implantation eines Cypher-Stents entschieden hätten, nachdem der Coil schicksalhaft mit einer Windung in die LAD (Vorderwandast der linken Koronararterie) hineingerutscht sei. Dass postoperativ nach einem Zeitraum von neun Monaten das Medikament ASS abgesetzt worden sei, sei nach dem im Behandlungszeitraum geltenden Standard nicht als fehlerhaft zu bezeichnen. Da nach der Einschätzung des Sachverständigen davon auszugehen sei, dass der Kläger im Jahre 2006 eine Restenose und keine Thrombose erlitten habe, fehle es auch an der Kausalität zwischen dem Absetzen des Medikamentes und dem eingetretenen Primärschaden, weil eine medikamentöse Möglichkeit, den Eintritt einer derartigen Stenose zu verhindern, nicht bestehe. Auch die Aufklärungsrüge könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar sei der Kläger nicht ordnungsgemäß darüber aufgeklärt worden, dass der Eingriff lediglich relativ indiziert gewesen sei und man damit auch noch hätte abwarten können. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Eltern des Klägers richtig aufgeklärt gleichwohl in den konkreten Eingriff eingewilligt hätten, einen Entscheidungskonflikt hätten sie nicht plausibel gemacht. Dass alternativ zu einer HKU auch eine minimal-invasive Operation in Frage gekommen wäre, habe der Kläger nicht bewiesen, zudem sei seine Behauptung nicht plausibel, seine Eltern hätten einen derartigen, mit erheblichen Risiken verbundenen Eingriff verlangt. Eine Aufklärung über die Risiken der im Rahmen einer Notversorgung erfolgten Stentimplantation sei gleichfalls nicht geboten gewesen, weil hierfür keine Zeit gewesen sei.

Das Urteil ist dem Kläger am 3.11.2009 zugestellt worden. Mit der am 3.12.2009 eingegangenen und nach Fristverlängerung am 2.2.2010 begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er vertritt die Auffassung, das LG sei auf der Grundlage der Zeugenaussagen fehlerhaft von einer ausreichenden Einwilligung ausgegangen; der Einwand hypothetischer Einwilligung sei von der Beklagten zudem nicht wirksam erhoben worden, so dass die Klage schon aus diesem Grund nicht hätte abgewiesen werden dürfen. Überdies hab...

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