Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Mutter und des 17-jährigen Sohnes, nicht aber des arbeitsbedingt abwesenden Vaters
Verfahrensgang
LG Erlangen (Urteil vom 21.08.2009; Aktenzeichen 5 O 28/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Ellwangen vom 21.8.2009 - 5 O 28/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 25.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger macht im Zusammenhang mit einer Totalentfernung der Schilddrüse im Kreiskrankenhaus ... gestützt auf Aufklärungs- und Behandlungsfehler Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte Ziff. 1 als Trägerin des Krankenhauses und den bei der Beklagten Ziff. 1 als Oberarzt tätigen Beklagten Ziff. 2 geltend.
1. Der am ... 1989 geborene Kläger litt bereits seit längerer Zeit an einer Unterfunktion der Schilddrüse. Nachdem das Schilddrüsenvolumen trotz einer Substitutionstherapie mit L-Thyroxin 75 stetig anstieg und der Kläger zudem über Schluckbeschwerden klagte, stellte er sich auf Anraten der Nuklearmedizinerin Dr. J ... im Kreiskrankenhaus ... vor. Dort wurde am 1.8.2006 ein Hashimoto Struma mit deutlicher Vergrößerungstendenz diagnostiziert und eine Totalentfernung der Schilddrüse empfohlen. Bei dem Gespräch mit der Zeugin Dr. M ... war sowohl der damals 17-jährige Kläger als auch dessen Mutter, die Zeugin A., anwesend.
Am ... 2006 wurde der Kläger durch den Beklagten Ziff. 2 operiert. Postoperativ zeigte sich ein Hypoparathyreoidismus mit hypokalzämischen Tetanien. Der Kläger ist seither dauerhaft auf die medikamentöse Einnahme von Kalzium angewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
2. Das LG hat die Eltern des Klägers, A ... und J ... sowie Frau Dr. M. als Zeugen vernommen. Sodann hat es dem Zahlungsantrag mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der begehrten Zinsen stattgegeben und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden ausgesprochen. Die Operation vom 15.8.2006 sei schon deshalb nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt gewesen, weil der Vater des Klägers ärztlicherseits nicht aufgeklärt worden sei. Dies sei erforderlich gewesen, weil es sich bei der kompletten Entfernung der Schilddrüse um einen schwerwiegenden Eingriff handele, der im Falle der Risikoverwirklichung mit schweren Beeinträchtigungen für die Lebensführung des Minderjährigen einhergehe. Die Beklagten hätten sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass die Mutter des Klägers ermächtigt gewesen sei, auch im Namen des Vaters zuzustimmen. Eine ordnungsgemäße Aufklärung des Vaters durch die Mutter sei schon deshalb nicht festzustellen, weil diese nicht bekundet habe, gegenüber dem Vater das Risiko einer Nebenschilddrüsenunterfunktion und deren Folgen erwähnt zu haben. Eine bloße Information über den Inhalt eines Aufklärungsgesprächs durch einen Nichtmediziner sei aber ohnehin rechtlich unzureichend, da keine Möglichkeit zur Nachfrage bestehe.
Der Einwand der hypothetischen Einwilligung greife nicht durch. Zumindest der Vater des Klägers habe plausibel dargelegt, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte.
Ein Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 EUR sei angemessen. Da künftige Schäden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten stünden, sei auch der Feststellungsantrag begründet.
Gegen das den Beklagten am 9.9.2009 zugestellte Urteil haben diese mit am 28.9.2009 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.
3. Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger und seine Mutter die im Gespräch mit der Zeugin Dr. M ... gewonnenen Erkenntnisse mit dem Vater des Klägers besprochen hätten und dieser mit der Operation einverstanden gewesen sei. Hätte der Vater weitere Fragen gehabt, hätte er sich jederzeit an die Zeugin Dr. M. wenden können. Angesichts dessen fehle es bereits an einem objektiven Aufklärungsmangel, jedenfalls aber am Verschulden des Operateurs, da dieser vom Einverständnis des Vaters habe ausgehen können.
Abgesehen hiervon würde aber auch der Einwand der hypothetischen Einwilligung durchgreifen. Es könne bereits nicht darauf abgestellt werden, ob der nicht erschienene Elternteil einen ernsthaften Entscheidungskonflikt plausibel machen könne. Im Übrigen habe der Vater aber auch keinen Entscheidungskonflikt plausibel gemacht. Der Beklagte Ziff. 2 sei ein äußerst erfahrener Operateur und das Risiko von Komplikationen sei bei derartigen Eingriffen im Kreiskrankenhaus ... n...