Leitsatz (amtlich)

1. Ein Erhöhungsverlangen in der privaten Krankenversicherung, das lediglich mit der "Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bzw. der Berücksichtigung der aktuellen Rechnungsgrundlagen" begründet wird, genügt den formellen Anforderungen nicht.

2. Eine wirksame Prämienanpassung heilt vorausgegangene unwirksame Anpassungen in vollem Umfang ex nunc.

3. § 8b Abs. 1 MB/KK stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für Anpassungen dar, die unterhalb des gesetzlichen Schwellenwertes liegen.

4. Die für den Lauf der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis des Versicherungsnehmers lag mit Erhalt der Anpassungsschreiben vor; dass es zum Umfang der für eine Prämienanpassung mitzuteilenden Gründen einen Meinungsstreit gab, ist nicht geeignet, den Verjährungsbeginn hinauszuschieben.

5. Trägt die Partei nicht vor, ihren Rechtsanwalt zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben, kommt die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2446/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 02.07.2021 - 8 O 2446/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Neufestsetzung der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 000.000000000 im Tarif C ... zum 01.01.2016 in Höhe von 20,06 EUR unwirksam und der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages bis 01.01.2018 verpflichtet ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 240,72 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 04.01.2021 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil vom 01.01.2017 bis 03.01.2021 gezogen hat, den der Kläger auf die unter Ziffer 1 aufgeführte Beitragserhöhung gezahlt hat.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen tragen der Kläger zu 97 % und die Beklagte zu 3 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf bis zu 8.000 EUR und für das Berufungsverfahren auf bis zu 8.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Partei streiten um die Rechtmäßigkeit von Beitragserhöhungen im Rahmen der von dem Kläger bei der Beklagten gehaltenen Krankenversicherung im Tarif C ... zum 01.01.2016, 01.01.2018 und 01.01.2020.

Zwischen den Parteien besteht eine private Kranken- und Pflegeversicherung seit dem 01.01.2009. In den MB/KK 2009 ist zur Beitragsanpassung in § 8 b folgende Regelung enthalten:

(1) Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers zum Beispiel wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als den gesetzlich oder tariflich festgelegten vom Hundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.

...

(2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

...

Die Beklagte hat die Prämien mit Beitragserhöhungsschreiben jeweils aus November des Vorjahres zum jeweils 01.01. des Folgejahres erhöht. Zum jeweils 01.07. des Jahres wurde die Prämie im streitgegenständlichen Tarif verringert und als Grund "Leistungsfreiheitsrabatt wird eingereicht bzw. erhöht" angegeben (Anlagekonvolut K1).

Der Kläger hat gemeint, die Informationen zu den Beitragsanpassungen erfüllten nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen. Es sei ihnen nicht zu entnehmen, auf welcher Rechnungsgrundlage die Prämienanpassung erfolgt sei. Es handele sich vielmehr um abstrakte, formelhafte Ausführungen. Zudem sei die Prämienneufestsetzung schon deshalb unwirksam, weil die Schwellenwertabweichung bei der Rechnungsgrundlage nicht den gesetzlich festgelegten Wert von 10 % erreiche. Ein geringerer Wert reiche nicht aus, da § 8b MB/KK unwirksam sei. Zwar sei es dem Versicherer gestattet, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Anpassungsmöglichkeit auch für eine niedrigere Schwellenwertüberschreitung vorzusehen. Allerdings müsse es sich um...

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