Leitsatz (amtlich)
1. Die unzureichende Risikoaufklärung durch einen zum Krankenhaus aufgrund eines Kooperationsvertrages in die Behandlung einbezogenen Radiologen muss sich der Krankenhausträger zurechnen lassen.
2. Beim Verdacht auf eine Lungenembolie stellt eine Lungenperfusionsszintigraphie keine Behandlungsalternative zu einem kontrastmittelgestützten CT dar.
3. Das Risiko einer Nierenschädigung durch ein kontrastmittelgestütztes CT ist aufklärungspflichtig.
4. Auch bei einer unzureichenden Aufklärung scheidet ein Schadensersatzanspruch des Patienten aus, wenn nicht feststeht, dass der eingetretene Schaden durch den wegen unwirksamer Aufklärung rechtswidrigen Eingriff verursacht worden ist.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 2467/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 10.01.2024 - 7 O 2467/22 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferinnen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahren wird auf bis zu 240.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche wegen behaupteter ärztlicher fehlerhafter Behandlung geltend.
Der am 00.00.1978 geborene Kläger leidet an Vorerkrankungen an arterieller Hypertonie, chronischen Nikotinabusuis und Adipositas. Am 03.11.2020 wurde auf Veranlassung des Hausarztes eine Lungenperfusionsszintigraphie durchgeführt und eine Lungenembolie gesichert. Am 17.11.2020 wurde ein kontrastmittelgestütztes CT bei der Streithelferin zu 2) durchgeführt. Er wurde mit gerinnungshemmenden Mitteln behandelt. Bei den Untersuchungen wurde eine erhöhte Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie) festgestellt. Er stellte sich mehrfach in einer Dialysepraxis vor und für den 03.02.2021 war im Universitätsklinikum ... eine Nierenpunktion geplant. Der Kläger wurde wegen anhaltender bronchitischer Symptome von seinem Hausarzt wegen Verdacht auf Lungenembolie am 27.01.2020 zur stationären Behandlung in die Klinik der Beklagten eingewiesen. Dort wurde er in der Notaufnahme untersucht. Die Behandler der Beklagten hielten Rücksprache mit einem Nephrologen des Universitätsklinikums ..., der eine Aufnahme des Klägers ablehnte. Der Kläger wurde von der Beklagten zur Streithelferin zu 2) zur Durchführung eines Kontrastmittel-CT überwiesen. Die radiologische Praxis der Streithelferin zu 2) ist Kooperationspartner der Beklagten und rechnet ihre Leistungen auch ihr gegenüber ab. Ein Aufklärungsgespräch wurde im Hause der Beklagten nicht durchgeführt. Der Kläger und die Streithelferin zu 1) - Ärztin und Gesellschafterin der Streithelferin zu 2) - unterzeichneten einen Aufklärungsbogen (Anlage B 3). Die Untersuchung ergab eine rechtsseitige Lungenarterienembolie. Der Kläger erlitt im Anschluss ein beidseitiges akutes Nierenversagen und wurde am 31.01.2021 in das Universitätsklinikum ..., Klinik für Nephrologie, verlegt, wo er bis zum 22.02.2021 stationär behandelt wurde. Bis zum 29.03.2021 erfolgten dreimal wöchentlich Dialysen. Die im Nachgang durchgeführte Nierenpunktion bestätigte eine membranöse Glomerulonephritis (chronisch entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen).
Der Kläger hat beanstandet, dass die Beklagte das CT mit Kontrastmittel ohne jegliches Aufklärungsgespräch veranlasst habe. Es sei weder auf die Risiken einer Kontrastmittelgabe bei einer Nierenerkrankung noch über Behandlungsalternativen, wie z.B. eine Lungenperfusionsszintigraphie oder ein MRT mit dem Kontrastmittel Gadolinium aufgeklärt worden. Die Applikation des Kontrastmittels bei bekannten Verdacht eines nephrotischen Syndromes stelle einen groben Verstoß gegen den Facharztstandard dar. Die Beklagte hätte dies nicht veranlassen dürfen. Wegen der Gabe des Kontrastmittels sei es zu einem beidseitigen vermeidbaren Nierenversagen gekommen. Aus diesem Grund wäre der Kläger bis Ende März 2021 dialysepflichtig gewesen und hätte eine chronische Niereninsuffizienz davon getragen. Der Kläger könne seine bislang ausgeübte Tätigkeit als Lkw-Fahrer mit Aufund Abladefunktion nicht mehr ausüben und sei gekündigt worden. Er habe einen Verdienstausfall erlitten und könne auch die Haushaltsführung nicht wie bisher für eine Stunde pro Tag durchführen. Ein Schmerzensgeld von 160.000 EUR sei angemessen. Der Kläger werde in absehbarer Zeit wieder dialysepflichtig werden und es bestünde die Gefahr, dass in späterer Zeit eine Nierentransplantation erfolgen müsse. Er leide an täglichen schmerzhaften Krampfanfällen und könne nicht heben und nicht länger stehen und keine längeren Strecken zu Fuß gehen. Es bilde sich immer wieder Wasser in den Beinen, so dass er täglich Medikamente einnehmen müsse.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass im Vordergrund die Diagnosti...