Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 15.09.2017; Aktenzeichen 5 O 51/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 15.09.2017, Az.: 5 O 51/17, aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die in beiden Instanzen angefallenen Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich des Kostenausspruchs vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gebührenstreitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.272,44 EUR festgesetzt. Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt 5.520,00 EUR.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vollkasko-Versicherungsvertrag.
Vielmehr ist die Beklagte aufgrund einer vorsätzlichen Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers nach Teil B Ziffer 2 (1) i.V.m. Teil A Ziffer 3.2 (1) und Ziffer 3.3 (3) der vertraglich vereinbarten "Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung" mit Stand 01.09.2014 (AKB) nicht leistungspflichtig. Nach diesen Klauseln oblag es dem Kläger, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen konnte, insbesondere durfte er den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Rechtsfolge einer vorsätzlichen Verletzung dieser Obliegenheit ist die Leistungsfreiheit der Beklagten.
1. Die vorgenannten - die Leistungsfreiheit des Versicherers regelnden - Klauseln der AKB, insbesondere jene in Teil B Ziffer 2 (1) der AKB, sind entgegen der Auffassung des Landgerichts wirksam, obwohl darin auf den Regelungsgehalt des § 28 Abs. 4 VVG, wonach Leistungsfreiheit bei Verletzung von Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten nach dem Versicherungsfall grundsätzlich eine vorherige Belehrung des Versicherungsnehmers in Textform voraussetzt, nicht explizit hingewiesen wird.
Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm im Urteil vom 09.08.2017 an (Aktenzeichen 20 U 184/15, Rdn. 61 ff., juris). Danach weicht die vorgenannte Regelung in den AKB nicht i.S.v. § 32 Satz 1 VVG von der Vorschrift des § 28 VVG ab. Die Klausel in den AKB kann nicht dahin verstanden werden, das sie die Leistungsfreiheit unabhängig von dem gesetzlichen Belehrungserfordernis aus § 28 Abs. 4 VVG anordnet. Vielmehr ist sie dahin zu verstehen, dass zusätzlich § 28 Abs. 4 VVG zu beachten ist; diese Vorschrift soll nicht etwa abbedungen sein. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es für die Auslegung jedenfalls in erster Linie ankommt, erwartet in einer Regelung wie den o.g. Klauseln der AKB nicht eine vollständige Darstellung der Rechtslage einschließlich Wiedergabe aller einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Auch sonst besteht kein Grund, die Regelung dahin zu verstehen, dass sie von § 28 VVG abweichen soll. Die Regelung folgt dieser Vorschrift, gibt sie nur eben nicht vollständig wieder.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.04.2014 (Aktenzeichen IV ZR 58/13, Rdn. 21, juris), auf das das Landgericht seine gegenteilige Rechtsauffassung stützt. Diese Entscheidung hat Versicherungsbedingungen aus dem Jahre 2005 zum Gegenstand, welche insgesamt noch auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG a.F. beruhten, die ihrerseits auf den dort streitgegenständlichen Sachverhalt nicht mehr anzuwenden waren. Diese Bedingungen waren nach ihrem klaren, an der alten Gesetzeslage orientierten Wortlaut u.a. dahin auszulegen, dass sie - mittlerweile gesetzeswidrig - bei grober Fahrlässigkeit die volle Leistungsfreiheit des Versicherers anordneten. Und sie waren, wie der Bundesgerichtshof erklärt hat, auch dahin zu verstehen, dass Leistungsfreiheit eintreten sollte unabhängig von einer Beachtung der Vorschrift des § 28 Abs. 4 VVG. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Urteils zu sehen. Ihnen lässt sich daher nicht entnehmen, dass Bedingungen zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitspflichtverletzungen, welche klar und eindeutig den Vorschriften der §§ 28 ff. VVG 2008 entsprechen und lediglich einen Hinweis zu § 28 Abs. 4 VVG auslassen, insgesamt unwirksam sein sollten (so zutreffend OLG Hamm, a.a.O., Rdn. 69; OLG Celle, Urteil vom 30.11.2017, 8 U 27/12, zitiert aus Beck-Online).
Auch im Hinblick auf das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Information in den AKB über das Belehrungserfordernis des § 28 Abs. 4 VVG nicht geboten. Zum einen fordert die Rechtsordnung auch sonst eine Information über gesetzliche Belehrungserfordernisse (also eine Belehrung über ein Belehrungserfordernis) nicht, sondern sieht das Belehrungserfordernis selbst als ausreichenden Schutz an. Zum anderen würde auch eine wortgetreue Wiedergabe des Inhalts des § 28 Abs. 4 VVG die Rechtslage nicht vollständig abbilden und damit den Versicherung...