Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Anspruch gegenüber Großeltern unter Berücksichtigung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
Leitsatz (amtlich)
Unterhaltsvorschussleistungen sind im Verhältnis zu den Großeltern anzurechnendes Einkommen des Kindes und mindern dessen Bedürftigkeit. Das gilt sowohl für bereits gezahlten als auch für noch zu gewährenden Vorschuss.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1607, 1610; UhVorschG §§ 1-2, 7; SGB 12 § 2; SGB 12 § 94
Verfahrensgang
AG Leipzig (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen 336 F 1929/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin zu 2) wird das Urteil des AG - Familiengericht - Leipzig vom 30.4.2009 bezüglich der Klägerin zu 2) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) ab Rechtskraft des Urteils monatlichen Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe, ab 1.7.2010 der dritten Altersstufe, jeweils abzgl. hälftigen Kindergeldes sowie abzgl. der Leistungen nach §§ 1 ff. Unterhaltsvorschussgesetz, also derzeit einen Zahlbetrag von 82 EUR, und ab 1.8.2010 Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Die Zahlungen haben jeweils bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zu Händen der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin zu 2) zu erfolgen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 2) wird zurückgewiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung aus dem Urteil durch die Gegenseite abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben die Klägerinnen jeweils die Hälfte zu tragen.
Von den im zweiten Rechtszug angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerinnen jeweils 30 % zu tragen. Die Beklagte hat von diesen im zweiten Rechtszug angefallenen Gerichtskosten und ihren eigenen außergerichtlichen Kosten 40 % zu tragen.
Die Klägerin zu 1 behält die ihr im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten auf sich.
Von den der Klägerin zu 2 im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte 30 % zu tragen, 70 % behält die Klägerin zu 2 auf sich.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Klägerinnen haben gegen das Urteil des Familiengerichts vom 30.4.2009 Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 1.9.2009 haben sich die Parteien umfassend über die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) verglichen und übereinstimmend festgestellt, dass auch für die Klägerin zu 2) keine Unterhaltsrückstände bestehen. Eine Einigung über die künftigen Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 2) erfolgte nicht.
Die Klägerin zu 2) beantragt sinngemäß, das Urteil des AG - Familiengericht - Leipzig vom 30.4.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Rechtskraft der Entscheidung 100 % Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin zu 2) müsse sich auf den ihr gewährten Unterhaltsvorschuss als erzielbares Einkommen verweisen lassen. Ein Unterhaltsvorschussanspruch stehe der Klägerin zu 2) bis zum 31.7.2010 zu. Solange könne sie von der Beklagten mangels Bedürftigkeit keinen Unterhalt beanspruchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll des Senats vom 1.9.2009 Bezug genommen.
II. Da sich die Klägerin zu 1) und die Beklagte über die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) umfassend verglichen haben, hat der Senat nur noch über den geltend gemachten Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 2) zu entscheiden.
Die zulässige Berufung der Klägerin zu 2) ist teilweise begründet.
Die Beklagte ist ihren Enkelinnen ... und ..., den beiden Klägerinnen, unstreitig zur Zahlung von Unterhalt nach §§ 1601, 1607 Abs. 1, 1610 BGB verpflichtet. Beide Eltern und die anderen Großeltern sind leistungsunfähig. Die Beklagte verfügt - ebenfalls unstreitig - über ein um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 2.690 EUR.
Der Bedarf der Klägerinnen richtet sich nach der von den Eltern abgeleiteten Lebensstellung. Da beide Elternteile zur Zahlung von Barunterhalt nicht leistungsfähig sind, können die Kinder von ihrer Großmutter lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB verlangen. Er beträgt für die Klägerin zu 2) derzeit 322 EUR.
Der Bedarf der Klägerin zu 2) ist teilweise durch das staatliche Kindergeld gedeckt, das gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hälfte, d.h. derzeit i.H.v. 82 EUR, auf den Barbedarf d...