Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorbringen eines Patienten, bei seiner Behandlung seien "allgemein gültige Hygienestandards" verletzt worden, löst keine sekundäre Darlegungslast der Arztseite zu den Hygienestandards aus.

2. Eine Kortisoninfiltration war zumindest im Jahr 2013 keine echte Behandlungsalternative zu einer indizierten Ringbandspaltung.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 27.11.2015; Aktenzeichen 6 O 1998/13)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Dresden vom 27.11.2015 - Az. 6 O 1998/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 45.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Trägerin des xxx-Klinikums die Zahlung von Schmerzensgeld, Ersatz materieller Schäden in Form von Haushaltsführungsschäden und Medikamentenzuzahlungen, sowie die Feststellung der Einstandspflicht für künftige materielle Schäden wegen behaupteter Fehlbehandlung eines "schnappenden Fingers". Der Kläger stellte sich am 20.10.2012 wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkungen des 3. und 4. Fingers der linken Hand in der handchirurgischen Sprechstunde des xxx-Klinikums vor, wo er zunächst konservativ und dann am 17.1.2013 operativ ambulant im Wege der sog. Ringbandspaltung der Finger 3 und 4 links behandelt wurde. Im weiteren Verlauf entwickelte sich im OP-Gebiet eine Infektion mit dem Erreger Staphylokokkus aureus, was zu zwei Revisionsoperationen, nämlich am 27. und am 29.1.2013, führte. Bei Letzterer kam es zur Verletzung einer Arterie und es verblieb ein ausgedehnter Weichteildefekt. Am 1.2.2013 erfolgte infolgedessen in der Klinik für Plastische - und Handchirurgie der Klinik B. in H. die Amputation des dritten Fingers der linken Hand.

Der Kläger behauptet, die bei ihm durchgeführte ambulante Ringbandspaltung sei nicht adäquat geplant und dem medizinischen Standard entsprechend durchgeführt worden. Aufgrund seiner weiteren Erkrankungen und der Schwierigkeit des Eingriffes wäre eine stationäre Einweisung erforderlich gewesen. Bei der am 17.1.2013 erfolgten Operation seien allgemein gültige Hygienestandards verletzt worden, was bei ihm zu einer Infektion mit Staphylokokkus aureus geführt habe. Auch die Nachsorge in der Handsprechstunde am 21.1.2013 sei fehlerhaft gewesen. Den von ihm dort geäußerten starken Schmerzen sei nicht nachgegangen, erforderliche Befunde seien nicht erhoben worden. Bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt wäre seine Infektion eher festgestellt worden und die später erfolgte Amputation des Mittelfingers vermeidbar gewesen. Die Aufklärung sei zudem sowohl vor der Primäroperation als auch vor der Revision unzureichend gewesen.

Das LG hat nach informatorischer Anhörung des Klägers und Vernehmung der seinerzeit aufklärenden Ärzte Dr. I. und Frau T. als Zeugen sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Behandlungs- und Hygiene- sowie Nachsorgefehlern die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger Verurteilung im ursprünglich geltend gemachten Umfang. Er wiederholt seine erstinstanzlichen Ausführungen und vertritt die Auffassung, das LG habe verkannt, dass die Primäroperation wegen seiner Vorerkrankungen und des bekannten Nikotinabusus zwingend stationär hätte erfolgen müssen. Es sei behandlungsfehlerhaft, diese ambulant geplant und durchgeführt zu haben. Fehlerhaft habe das LG zudem seine erstinstanzlich bereits erhobene Aufklärungsrüge nicht durchgreifen lassen. Angesichts seines auf Grund der Vorerkrankungen möglicherweise geschwächten Immunsystems und der damit einhergehenden erhöhten Anfälligkeit für Infektionen hätte man ihn über die allgemeinen Infektionsrisiken hinaus auch über das bei ihm bestehende besondere Infektionsrisiko aufklären müssen. Da er ein vorsichtiger Mensch sei, hätte er seine Einwilligung dann zunächst nicht gegeben, sondern sich nach weiteren konservativen Methoden umgesehen. In diesem Zusammenhang habe man ihn zu Unrecht nicht über noch weitere bestehende konservative Behandlungsalternativen, wie das Anlegen von Salbenverbänden und Nachtlagerungsschienen aufgeklärt. Obendrein hätte er aufgeklärt werden müssen über die Behandlungsalternative mittels einer Cortisoninfiltration. Da er über die besonderen bei ihm bestehenden Risiken und weiteren Behandlungsalternativen - konservativ wie invasiv - nicht vollständig aufgeklärt worden sei, sei die erste Operation mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig erfolgt. Er trägt in diesem Zusammenhang vor, er hätte sämtliche zuv...

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