Leitsatz (amtlich)
Soweit ausnahmsweise entgegen der gesetzlichen Reglung in § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB eine Pflicht zur Abmahnung nach Treu und Glauben aus § 242 BGB vor einer außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges (§ 543 ABs 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) bejahrt werden kann, betrifft dies (seltene) Ausnahmefälle, in denen eine Unsicherheit bezüglich des Empfängers der Miete oder des Zahlungsweges besteht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 09 O 2758/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 21.08.2019 (09 O 2758/18) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, die in dem Gebäude B..., L... im Erdgeschoss gelegenen Räume (vermietet zur Nutzung als YYY), deren Fläche ca. 117 m2 beträgt, zu räumen und geräumt an die D... GmbH, M..., B..., vertreten durch die Geschäftsführer D..., L... und H..., A..., herauszugeben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung kann der Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.549,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen im Erdgeschoss des Objekts B... in L....
Mit dem Vertrag vom 30.05.2018 (Anlage K 1) vermietete die Klägerin die streitgegenständlichen Geschäftsräume ab dem 01.06.2018 mit Befristung auf 10 Jahre an den Beklagten zur Nutzung als YYY. Zur Miethöhe enthält der Mietvertrag in § 4 Nr. 3 eine Staffelmietvereinbarung, wonach im ersten Jahr vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 keine Grundmiete zu zahlen ist, sondern nur die monatlichen Vorauszahlungen für die Betriebs- und Nebenkosten von 350,00 EUR und die monatlichen Vorauszahlungen für die Heizungs- und Warmwasserkosten in Höhe von 150,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin ein Vorauszahlungsbetrag in Höhe von monatlich 595,00 EUR brutto. Ab dem zweiten Jahr vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2020 ist eine Grundmiete zu zahlen, zunächst 1.299,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer monatlich, die sich in den weiteren Jahren jeweils erhöht. Hintergrund dieser Regelung ist gemäß § 4 Nr. 2 S. 2, 3 des Mietvertrages der Umstand, dass der Beklagte als Mieter die Kosten der Umbaumaßnahmen trägt, welche in der Anlage zum Mietvertrag aufgelistet sind. Mitte Juli 2018 erhielt der Beklagte die Schlüssel zum Mietobjekt.
Mit Schreiben vom 13.09.2018 (Bl. 19 f. dA) erteilte die Hausverwaltung für die Klägerin dem Beklagten eine Abmahnung wegen ruhestörenden Lärms, Vermüllung des Kellerbereichs und vertragswidrigen Streichens der Fassade. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe an den Beklagten berechtigt sind. Zahlungen an die Klägerin leistete der Beklagte zunächst nicht.
Die Klägerin erklärte mit dem Schreiben ihrer Hausverwaltung, der ZZZ Hausverwaltung GmbH, vom 19.10.2018 (Bl. 21 f. dA) die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges des Beklagten und forderte ihn auf, die Geschäftsräume bis zum 31.10.2018 zu räumen. Zwischen den Parteien ist strittig, ob dieses Schreiben dem Beklagten vor Anhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreites zugegangen ist. Den Zahlungsrückstand glich der Beklagte am 09.11.2018 aus und zahlte auch in der Folgezeit die nach dem Mietvertrag geschuldeten Nebenkosten-Vorauszahlungen. Nachdem die Hausverwaltung der Klägerin Zahlungsbeträge zurückgebucht hatte, hinterlegte der Beklagte die monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen ab dem Monat Februar 2019 beim Amtsgericht Leipzig.
Die Klägerin erklärte weitere außerordentliche und fristlose Kündigungen des Mietverhältnisses mit der Klageschrift vom 02.12.2018, die dem Beklagten am 24.01.2019 zugestellt wurde, und mit dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.07.2019 eingereichten Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.07.2019.
Die Klägerin hat das Grundstück B... in L... an die D... GmbH veräußert, welche am 26.04.2019 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde (Grundbuchauszug vom 29.04.2019, Anlage K 7).
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe dem Beklagten die Kündigung vom 19.10.2018 zunächst mit Einwurfeinschreiben am 20.10.2018 zugestellt, und dafür eine Zustellquittung als Anlage K 6 vorgelegt. Weiterhin sei eine Zustellung der Kündigung vom 19.10.2018 an den Beklagten am 23.10.2018 um 12:28 Uhr durch einen Boten, den Zeugen M... S..., erfolgt. Dafür hat die Klägerin den schriftlichen Zustellnachweis vom 23.10.2018 (Bl. 69 dA) vorgelegt, w...