Leitsatz (amtlich)

Hat ein Versicherer die Führung der Vertragsverhandlungen mit einem Kunden ausschließlich einem selbständigen Vermittler bzw. Vermittlungsunternehmen überlassen, so können ihm dessen Erklärungen gem. § 278 BGB zugerechnet werden.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Urteil vom 27.07.2009; Aktenzeichen 4-O-2454/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin - unter ihrer Zurückweisung im Übrigen - wird das Urteil des LG Chemnitz vom 27.7.2009 (Az: 4 O 2454/08) zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Auf den Hilfsantrag der Klägerin (Klageantrag zu Ziff. 2) wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die ... bank ... eG Schadenersatz aufgrund fehlerhafter Beratung bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit der Policen-Nummer ... (Versicherungsnehmerin Frau G. W.) zu zahlen, dessen Höhe sich bestimmt aus der Bruttodarlehenssumme des Darlehens der Versicherungsnehmerin Frau G. W. bei der ... bank ... eG (Nr ...) i.H.v. 412.632 EUR abzgl. gezahlter Zinsen p.a. i.H.v. 12.500 EUR am 1.12.2002 sowie 9 × 16.250 EUR, gezahlt bzw. zu zahlen jeweils am 01.12. eines Jahres in der Zeit vom 1.12.2003 bis 1.12.2011, und abzgl. des Restwertes der Lebensversicherungspolice mit der Policen-Nummer ... am 10.6.2012 Zug um Zug gegen Rückabtretung der Ansprüche aus der vorgenannten Lebensversicherung und Rückgabe der Police.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin 70 % und die Beklagte 30 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz - mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention - trägt die Klägerin 74 % und die Beklagte 26 %. Von den Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte 26 %, im Übrigen trägt diese die Nebenintervenientin selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die erste Instanz auf 294.424 EUR und für die zweite Instanz auf 345.324 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt mit der Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrags i.H.v. 254.500 EUR am 1.3.2012 aus dem streitgegenständlichen Vertrag über eine Lebensversicherung vom Typ "Wealthmaster Noble". Hilfsweise verlangt sie, festzustellen, dass die Beklagte zur Schadensersatzleistung aufgrund fehlerhafter Beratung bei Abschluss des Vertrages verpflichtet sei.

Bei der Versicherung "Wealthmaster Noble" handelte es sich um eine Kapitallebensversicherung gegen Zahlung eines Einmalbetrages. Der jeweilige Einmalbetrag wurde von der Beklagten in Wertpapiere investiert, die in sog. Pools zusammengefasst waren. Den Versicherungsverträgen wurden rechnerische Anteile an den Pools zugeteilt. Die Anzahl der Anteile, die einem Vertrag zugeteilt waren, multipliziert mit dem jeweiligen Anteilswert, ergab den Ertragswert der Police. Wertsteigerungen des Pools gab die Beklagte einerseits über einen (jährlich im Voraus) deklarierten Wertzuwachs, der ab Zuteilung garantiert war, andererseits über einen Fälligkeitsbonus an die Versicherten weiter. Soweit ein Versicherungsnehmer seine Police ganz oder in Teilen vorzeitig einlöste, konnte er - je nach Entwicklung des Pools - ebenfalls an einer Wertsteigerung teilhaben oder aber eine negative Anpassung erleiden.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten unter dem 12.4.2002 den Abschluss einer Lebensversicherung vom Typ "Wealthmaster Noble" (Pool 2000 EINS) gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. 247.500 EUR und mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Zudem gab die Klägerin im Antragsformular unter Punkt F "Auszahlungen" Folgendes unter dem Unterpunkt zu Ziff. 1 "unregelmäßige Auszahlungen" an: "1.12.2002 12.500,00" EUR und "1.3.2012 254.500,00" EUR und unter dem Unterpunkt zu Ziff. 2 "regelmäßige Auszahlungen" mit jährlicher Zahlweise als Termin der ersten Auszahlung den "1.12.2003" und als Termin der letzten Auszahlung den "1.12.2011" sowie einen Auszahlungswert i.H.v. "16.250,00" EUR an. Mit dem Antragsformular wurden der Klägerin eine Verbraucherinformation, die Policen-Bedingungen und die Pool-Informationen ausgehändigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsformular vom 12.4.2002 (Anlage K 1) und die Verbraucherinformation, die Policen-Bedingungen sowie die Pool-Informationen (Anlage B 1 bis B 3) Bezug genommen.

Den Einmalbetrag finanzierte die Klägerin über ein am 29.4.2002 bei der ... bank ... eG i.H.v. 250.000 EUR aufgenommenes und zu 6,5 % p.a. zu verzinsendes Darlehen. Des Weiteren trat sie zeitgleich ihre Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag an die vorgenannte Bank ab. Mit Schreiben vom 19.6.2002 wurde der Klägerin von der Beklagten der Versicherungsschein mit der...

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