Leitsatz (amtlich)
Bringt ein Versicherer zum Ausdruck, dass er Ansprüche des Versicherungsnehmers auf laufende Auszahlungen aus einem Lebensversicherungsvertrag nicht vertragsge-recht erfüllen will, weil er den Vertragsinhalt falsch beurteilt, kann der Versicherungs-nehmer trotz einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages aus diesem Grund später Schadensersatz verlangen. Die Leistungspflicht ist vorrangig dem Versicherungsschein zu entnehmen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 305 Abs. 2 Nr. 1, §§ 305b, 305c, 307 Abs. 1 S. 2; VVG §§ 5, § 150 ff.; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 08.07.2010; Aktenzeichen 4 O 278/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Heilbronn - 4 O 278/09 - vom 8.7.2010 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden, ausgerichtet am positiven Interesse, zu ersetzen, die sich aus der Beendigung des bei der Beklagten geschlossenen Lebensversicherungsvertrags "Wealthmaster" mit der Policen-Nr. 501 ... durch die Kündigung des Klägers vom 22.5.2009 ergeben.
2. Der Kläger trägt die Kosten des ersten Rechtszugs. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: bis 200.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten für Schäden, die ihm wegen einer Kündigung nach Erfüllungsverweigerung aus einer Lebensversicherung des Produkttyps "wealthmaster" entstanden seien.
Hilfsweise begehrt der Kläger Schadensersatz wegen (Vertrauens-) Schäden wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der kreditfinanzierten Lebensversicherung "wealthmaster".
Die beklagte Versicherung ist ein seit 1995 auf dem deutschen Mark tätiges englisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden und Großbritannien.
Auf der Grundlage der Beratung eines "Untervermittlers", B. F., für die L. Vermögensverwaltung AG, zeichnete der am 2.4.1961 geborene Kläger im Jahr 1999 das Anlagemodell "L.-Konzept-Rente" (Hebelgeschäft) mit einer Einmalanlage in die "C. M. Wealthmaster" i.H.v. 169.831 DM, entsprechend 86.833,21 EUR (Anlage K 10, Bl. 246 ff.).
Die von der Beklagten angebotene Versicherung "wealthmaster" ist eine fondsgebundene Lebensversicherung gegen Zahlung eines Einmalbetrages. Der eingezahlte Einmalbetrag wurde in einen internen "Pool", ein sog. "Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II)", eingebracht. Er erhält dort bestimmte Pool-Einheiten zugeteilt, die Renditen mit Wertpapieren erwirtschaften sollen, welche sich durch "Fälligkeitsboni" verbessern und durch "Marktpreisanpassungen" vermindern können. Der Vertrieb der streitgegenständlichen Lebensversicherung als eine der drei Bausteine des Anlagemodells "L.-Konzept-Rente" (Lebensversicherung mit "Pool", Darlehen, Investmentfonds) erfolgte in Deutschland über die inzwischen insolvente "L. Vermögensverwaltung AG" als sog. "Masterdistributorin", welche sich ihrerseits "Untervermittler" vor Ort bediente.
Entsprechend diesem Anlagemodell stellte der Kläger am 2.3.1999 einen ausgefüllten Formularkreditantrag bei der "H. (S.) Landesbank H.-T. AG" zur "Finanzierung der Einmalzahlung in die Renten-/Lebensversicherung". Dieser lautet auszugsweise wie folgt (Anlage K 10, Bl. 149):
"Antrag. Zur Finanzierung der Einmalzahlung in eine Renten-/Lebensversicherung bei C. M. und des Disagios beantrage(n) ich/wir bei H. (S.), Landesbank H.-T., AG,.
einen Kredit in Schweizer Franken in Höhe des Gegenwertes von DM 259.192,00
Anteil Renten-/Lebensversicherung-Kredit
DM 197.073,00
Anteil Fondsdepot-Kredit
DM 62.119,00
...
Der Antragsteller beauftragt die LKK, die Gesamtvermittlungsgebühr an die L. Vermögensverwaltung AG als Vermittler abzuführen ..."
Hieraufhin kam zwischen dem Kläger und der H. (S.), Landesbank H.-T., AG, Z. ein Kreditvertrag vom 08.05./27.5.1999 über insgesamt 259.192 DM (= 132.522,76 EUR) und einer Laufzeit bis 29.3.2013 für das ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in einem Betrag rückzahlbare Darlehen (= endfälliges Darlehen) zustande (Anlage K 12, Bl. 156 ff.). Im Kreditvertrag ist unter "§ 7 Sicherheiten" vereinbart, dass als Sicherheit für den Kredit die "Lk. zu K." eine unbedingte Zahlungsgarantie in Kredithöhe übernimmt und die der Kläger zur Sicherstellung der unbedingten Zahlungsgarantie der "Lk. zu K." absichert, indem er alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus der Renten-/Lebensversicherung gemäß einer gesonderten Abtretungserklärung abtritt, alle Rechte und Ansprüche aus dem bei dem Bankhaus E.&G. für den Kläger geführten Wertpapierdepot gemäß einer gesonderten Verpfändungserklärung verpfändet und die Ehefrau des Klägers gemäß einer gesonderten Bürgschaftserklärung selbstschul...