Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstücksherausgabe. Anspruch der Schwiegereltern auf Rückübereignung eines Grundstücks gegen den Ehegatten nach Scheitern der Ehe

 

Leitsatz (redaktionell)

Wurde dem Ehegatten eines Kindes in der diesem bekannten Erwartung, die Ehe werde Bestand haben, ein Grundstück geschenkt, haben die Schwiegereltern nach Scheitern der Ehe Anspruch auf Rückübereignung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Dies hat zur Folge, dass eine Anpassung in der Weise in Betracht kommt, dass das Grundstück rückzuübereignen ist. Dies gilt auch für vor dem 03.10.1990 in der ehemaligen DDR geschlossene Verträge.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 516 ff.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das Urteil des vom 1.3.1995 – 5 O 3410/94 – teilweise abgeändert und unter Berücksichtigung der Berufungsrücknahme des Klägers zu 2) klarstellend wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, ihren hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück der Gemarkung, Blatt, Flurstück Nr. des Grundbuchs von an die Klägerin zu 1) aufzulassen und deren entsprechende Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen tragen diese selbst und der Kläger zu 2) je zur Hälfte. Die Beklagte trägt außerdem die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1); die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) trägt dieser selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Beklagten und

Streitwert des Berufungsverfahrens:

59.000,00 DM.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig und hat im Hinblick auf den von der Klägerin zu 1) geltend gemachten Rückübereignungsanspruch auch in der Sache Erfolg. Denn der Klägerin zu 1) steht dieser Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegen die Beklagte zu.

Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien sind entgegen der Auffassung des Landgerichts die Regeln dieses Rechtsinstituts grundsätzlich anwendbar, obwohl es – abgesehen von § 78 ZGB – in der Rechtsordnung der DDR nicht geregelt war. Die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind nämlich nicht allein in solchen Fällen heranzuziehen, in denen „Alt-Verträgen” die wirtschaftliche Grundlage durch die Wiedervereinigung Deutschlands und die damit einhergehenden wirtschaftlichen und politischen Veränderungen entzogen oder wesentlich verändert wurde. Vielmehr hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 259, 261) für eine generelle Anwendbarkeit auch auf sonstige vor dem 3.10.1990 geschlossene Verträge ausgesprochen, weil das dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugrundeliegende Prinzip von Treu und Glauben als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen immanent sei (so auch Palandt-Heinrichs, § 242 BGB Rdnr. 152 a; Art. 232 § 1 EGBGB, Rdnr. 9).

Die Voraussetzungen eines Anpassungsanspruchs der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte mit dem tenorierten Inhalt aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegen hier auch vor. Der Senat versteht den Vertrag vom 15.1.1990, an dem (unter anderem) die Parteien beteiligt waren, so, daß mit ihm das streitbefangene Grundstück insgesamt der Beklagten und ihrem damaligen Ehemann zu Eigentum übertragen werden sollte, und zwar in der Weise, daß die aus der Klägerin zu 1) und ihren beiden Söhnen bestehende Erbengemeinschaft ihren Grundstücksanteil im Wege der Auseinandersetzung auf Günter Marle übertrug und die Klägerin zu 1) die ihr seit je her gehörende andere Grundstückshälfte an ihre Schwiegertochter, die Beklagte, übereignete. Die Parteien haben gegen diese Vertragsauslegung des Senats, die ihnen im Termin vom 17.10.1995 bekannt gegeben worden ist, keine weiteren Einwände erhoben. Das den damaligen Eheleuten danach zustehende gemeinschaftliche Ehegatteneigentum zu je ½ hat sich inzwischen gemäß Art. 234 § 4 a EGBGB kraft Gesetzes in hälftiges Bruchteilseigentum umgewandelt. Infolgedessen kann die Klägerin zu 1) das von ihr allein Zugewendete von der Beklagten, die darüber allein verfügen kann, zurückverlangen, nachdem die Geschäftsgrundlage der 1990 vollzogenen Zuwendung nach dem Scheitern der Ehe der Beklagten mit dem jüngeren Sohn der Klägerin zu 1) weggefallen ist.

Geschäftsgrundlage dieser Übereignung war nämlich die der Beklagten bekannte Erwartung der Klägerin, diese Ehe werde Bestand haben. Ob daneben auch noch Vorstellungen der Klägerin über künftige Pflegeleistungen der Beklagten für sie und ihren älteren Sohn die Klägerin zu der Zuwendung mit bestimmt haben, mag offenbleiben. Denn jedenfalls wäre dies lediglich eine Konkretisierung der allgemeinen Erwartung der Klägerin zu 1) gewesen, daß das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück dauerhaft als Familienheim ihrer Familie erhalten bleiben, der Beklagten also als Familienmitglied zugewendet werden und damit die eheliche Lebensgemeinschaft wirtschaftlich gestärkt und in ihrem Fortbestand gesichert werden sollte. Infolgedessen handelt es sich bei dem...

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