Leitsatz (amtlich)
1. Wendet sich der Nutzer eines sozialen Netzwerkes gegen die Sperrung eines Beitrags, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden vertraglichen Regelungen abzustellen.
2. Die Änderung der Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerkes ist nur wirksam, wenn sich der Anbieter entweder wirksam eine einseitige Änderung vorbehält oder mit dem Nutzer einen Änderungsvertrag abschließt.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 2 O 169/21 EV) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 19. Februar 2021 wie folgt abgeändert:
1. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird die Verfügungsbeklagte verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, dass von dem Verfügungskläger auf der Plattform der Verfügungsbeklagten unter https://www.xxxxxx.com/watch?v=xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.be hochgeladene Video mit dem Titel "P..." - wie auf der DVD mit Schriftsatz vom 19. März 2021 vorgelegt - von der Plattform der Verfügungsbeklagten zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer Verwarnung zu versehen.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger (nachfolgend: Kläger) begehrt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens, es der Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte) zu untersagen, ein von ihm auf der Plattform der Beklagten hochgeladenes Video zu entfernen und ihn wegen des Hochladens des Videos mit einer Verwarnung zu versehen.
Der Kläger betreibt auf der Plattform der Beklagten einen eigenen Kanal namens "... .tv", der zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung knapp 100.000 Abonnenten hatte. Die Beklagte bietet Nutzern die Möglichkeit, eigene Videoinhalte auf der von ihr betriebenen Plattform zum Abruf für Dritte einzustellen. Nutzer, die - wie der Kläger - sich auf der Plattform der Beklagten registrieren und eigene Inhalte einstellen, erklären sich einverstanden, die vertraglichen Bestimmungen, insbesondere Nutzungsbedingungen einzuhalten. Im Mai 2020 machte die Beklagte zudem die "Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über COVID-19" zum Gegenstand des Nutzungsverhältnisses. Unter dem 29. Januar 2021 veröffentlichte der Kläger auf der Plattform der Beklagten unter https://www.xxxxxxxxx.com/watch?v=xxxxxxxxxxxxxxxxxxx.be ein Video mit dem Titel "P...". In dem ca. 25-minütigen Video werden anlässlich einer Demonstration gegen "Corona-Maßnahmen" verschiedene Personen interviewt. Wegen der Einzelheiten des Inhalts des Videos wird auf die als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 19. März 2021 beigefügte DVD verwiesen. Unter dem 31. Januar 2021 war das Video auf Veranlassung der Beklagten nicht mehr abrufbar. Gleichzeitig verwarnte diese den Kläger. Eine dagegen seitens des Klägers persönlich erhobene Beschwerde wies die Beklagte mit Mail vom 01. Februar 2021 (Anlage JS2) zurück. Nachdem die Beklagte auf ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10. Februar 2021 (Anlage JS3), mit welchem diese unter anderem zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 14. Februar 2021, 12.00 Uhr, aufgefordert worden war, nicht reagiert hatte, hat der Kläger beim Landgericht Chemnitz unter dem 15. Februar 2021 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht und beantragt:
der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu verbieten, das von dem Kläger auf der Plattform der Beklagten unter https://www.xxxxxxxxxxxxxxx.com/watch?v=xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.be hochgeladene Video von der Plattform der Beklagten zu entfernen und/oder den Kläger wegen des Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer Verwarnung zu versehen.
Das Landgericht Chemnitz hat mit Beschluss vom 19. Februar 2021 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den vorgenannten Beschluss verwiesen.
Mit der vom Kläger form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten sofortigen Beschwerde verfolgt dieser sein erstinstanzliches Begehren im vollen Umfang weiter. Der Kläger meint, unabhängig davon, dass die Richtlinie bereits unwirksam sei, fehle seitens des Landgerichts jegliche Auseinandersetzung mit den Grundsätz...