Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unternehmer kann sich einem konkreten Wettbewerbsverhältnis nicht dadurch entziehen, dass er gleichartige Ware als nicht beworbenen Teil eines Gesamtangebots innerhalb desselben Abnehmerkreises vertreibt.
2. Bei unzulässiger E-Mail-Werbung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erstreckt sich der Auskunftsanspruch nicht darauf, ob der Verletzer andere Marktteilnehmer in deren geschäftlicher oder privater Sphäre durch ähnliche Handlungen beeinträchtigt hat.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 06.12.2016; Aktenzeichen 01 HK O 1398/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung das Urteil des LG Leipzig vom 6.12.2016, Az. 1 HK O 1398/16, in Ziff. 4. abgeändert und unter Abweisung der zu Ziff. 4 weiter gehenden Klage neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der in Nr. 1 unter Bezugnahme auf Nr. 3 beschriebenen Verletzungshandlung.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Die Höhe der Sicherheit beträgt für die Beklagte wegen der Verurteilung unter Ziffer 1. des Tenors 50.000,00 EUR; ansonsten 110 % des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages, für die Klägerin 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 60.000.- EUR
Gründe
I. Die Klägerin macht wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen unverlangt zugesandter E-Mail-Werbung geltend.
Die Klägerin vertreibt kompatibles Verbrauchsmaterial für Frankiermaschinen, die Beklagte Frankiermaschinen mit Zubehör.
Das LG hat mit Urteil vom 6.12.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Unternehmern zu Zwecken des Vertriebs (insbesondere Verkauf, Vermietung) von Frankiermaschinen der Marke P. E-Mails zu versenden oder übersenden zu lassen, sofern der jeweilige Adressat nicht zuvor in die Übersendung einer E-Mail der betreffenden Art eingewilligt hat, wenn dies erfolgt wie durch die E-Mail vom 3.9.2015 (nachstehend abgebildet).
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verurteilung unter Nr. 1 die Verhängung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise von an ihren Geschäftsführern zu vollstreckende Ordnungshaft, oder von an ihren Geschäftsführern zu vollstreckenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser durch den in Nr. 1 beschriebenen Wettbewerbsverstoß entstanden ist.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft erteilen über den Umfang der in Nr. 1 unter Bezugnahme auf Nr. 3 beschriebenen Verletzungshandlungen und zwar unter Benennung:
des Zeitraums der Verstöße,
der Anzahl der zum Absatz von Frankiermaschinen in diesem Zeitraum versandten E-Mails,
die Zeitpunkte der E-Mails,
Namen, Anschriften der zum Zweck des Absatzes einer Maschine angesprochenen Werbeadressaten unter Kennzeichnung derjenigen angesprochenen Werbeadressaten, welche unter Bezugnahme auf die E-Mail eine Frankiermaschine bestellt haben,
der Art und der Menge der Produkte, die aufgrund der im vorstehenden Spiegelstrich genannten Bestellungen verkauft beziehungsweise vermietet wurden.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 775,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2015 zu bezahlen.
6. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von 1.53 1,90 EUR, wie er im Schreiben vom 2.10.2015 (Anlage B 79) geltend gemacht wurde, zusteht.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie stellt insbesondere ein konkretes Wettbewerbsverhältnis und einen Verstoß in Abrede.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift sowie die wechselseitigen Schriftsätze mitsamt Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet; nur der Auskunftsausspruch war teilweise abzuändern.
I. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs.
Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (vgl. BGHZ 144, 165, 170 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, GRUR 2006, 243 Rn 16 - MEGA SALE).
Selbst wenn die Klägerin nur als "Retourkutsche" auf eine eigene vorangegangen...