Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts … vom 2.6.1995 – Az.: 5 O 802/93 – abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger die Gemälde
- „Idyllische Szene” von A.F. Oeser und
- „Der Kaufmann Gottfried Wilhelm Schnetger mit seiner Frau Henriette Charlotte” von J.F. August Tischbein
herauszugeben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 205.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche und schriftliche Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Kreditinstitutes erbracht werden.
4. Die Beschwer der Beklagten beträgt 185.000,00 DM.
Beschluß:
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 185.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Herausgabe zweier Gemälde in Anspruch.
Die Kläger sind Erben nach dem am 21.9.1967 verstorbenen …. Dieser war seinerseits Erbe des ehemaligen Eigentümers des Rittergutes und Schlosses … Paul …, dem Großvater der Kläger. Das im damaligen Land Sachsen liegende Rittergut … wurde im Zuge der Bodenreform enteignet. Zur Ausstattung des Schlosses gehörten die im Klageantrag näher bezeichneten Gemälde. Diese wurden um das Kriegsende 1945 aus dem Schloß ausgelagert und gelangten in den Besitz der Thea Dietel. Am 25.2.1964 wurde zwischen dem „Museum der bildenden Künste” in Leipzig und dem durch Thea Dietel vertretenen … ein auf 10 Jahre befristeter Leihvertrag über die Bilder geschlossen, der am 25.11.1974 um weitere 10 Jahre verlängert wurde. In dem Leihvertrag wurden die Bilder ausdrücklich als Eigentum des … bezeichnet. In einem Sachstandsbericht vom 10.2.1981 (Bl. 29 dA) vertrat der Beauftragte für den Schutz für Kulturgut beim Rat der Stadt … die Auffassung, daß die Gemälde im Zuge der Bodenreform enteignet worden seien. Die Gemälde befinden sich bis heute im Magazin des Museum der bildenden Künste der Beklagten.
Die Kläger haben sich darauf berufen, als Erben nach … und … Eigentümer der umstrittenen Bilder geworden zu sein. Eine Enteignung habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Nachdem sie zunächst vorgetragen haben, die Bilder seien unmittelbar nach Kriegsende aus dem Schloß … ausgelagert worden, haben sie später behauptet, daß dies bereits vor Kriegsende erfolgt sei. Wie aus dem Leihvertrag vom 25.2.1964/25.11.1974 ersichtlich, seien auch die Behörden der DDR nicht von einer Konfiskation ausgegangen. Für den Fall, daß eine entschädigungslose Enteignung vorliege, haben die Kläger geltend gemacht, daß die Gemälde von ihnen bzw. von ihren Rechtsvorgängern ersessen worden seien. Sie haben außerdem auf den Rückübertragungsanspruch gemäß § 5 AusglLeistG verwiesen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zur Herausgabe der Gemälde:
- „Idyllische Szene” von A.F. Oeser und
- „Der Kaufmann Gottfried Wilhelm Schnetger mit seiner Frau Henriette Charlotte” von J.F. August Tischbein
binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, daß die Gemälde im Zuge der Bodenreform enteignet worden seien. Der ehemalige Eigentümer habe die Gemälde unzulässig mitgenommen. Der Leihvertrag sei nur zustande gekommen, weil seinerzeit die tatsächlichen Verhältnisse nicht bekannt gewesen sein.
Das Landgericht hat durch Vernehmung der Zeuginnen Thea Dietel und Johanna Knaubel Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.5.1995 Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 2.6.1995, auf das im übrigen verwiesen wird, die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben sei.
Hiergegen richtet sich die am 5.7.1995 eingelegte und mit am 6.10.1995 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Kläger.
In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Kläger ihr Vorbringen. Sie sind weiterhin der Meinung, eine Enteignung habe nicht stattgefunden. Das landgerichtliche Urteil konstruiere nachträglich eine Enteignung. Der ordentliche Rechtsweg sei nicht verschlossen, weil sie einen Anspruch aus § 985 BGB erhöben. Es gehe nicht um die Rechtmäßigkeit besatzungshoheitlicher Maßnahmen, sondern um zivilrechtliche Ansprüche. Sie behaupten, die Gemälde seien Ende April 1945 aus dem Schloß entfernt worden.
Sie beantragen,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger die Gemälde
- „Idyllische Szene” von A.F. Oeser und
- „Der Kaufmann Gottfried Wilhelm Schnetger mit seiner Frau Henriette Charlotte” von J.F. August Tischbein
herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil. Ihr erscheint zweifelhaft, daß die Gemälde bis Ende April 1945 ausgelagert worden ...