Leitsatz (amtlich)

1. Eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankentagegeldversicherungsbedingungen liegt auch dann vor, wenn der Versicherte bei einer Umorganisation seines Arbeitsbereiches imstande wäre, ganz oder teilweise seiner Arbeit nachzugehen.

2. Für den Einwand der Berufsunfähigkeit ist bei der Krankentagesgeldversicherung der Versicherer beweisbelastet. Ein solcher Beweis ist nicht geführt, wenn zum behaupteten Zeitpunkt ein medizinischer Befund nicht vorliegt.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 3089/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 26.09.2017 - Az. 8 O 3089/15 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.717,25 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Krankentagegeld aus einer zwischen den Parteien im Jahre 1996 geschlossenen privaten Krankentagegeldversicherung. Der Kläger verlangt Leistungen vom 19.06.2015 bis einschließlich 31.12.2016 verlangt. Sein Tarif beträgt 51,13 EUR täglich, zahlbar ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Der von der Beklagten dem Kläger gegenüber am 22.05.2015 bescheinigten bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit war ein Haftaufenthalt des Klägers vom 20.12.2012 bis zum 19.05.2014 vorausgegangen. Weiter war der Bescheinigung vorausgegangen ein stationärer Aufenthalt im Psychiatrischen Krankenhaus O. vom 20.01.2015 bis zum 06.05.2015. Dort wurden u.a. diagnostiziert: eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine Abhängigkeit von Sedativa oder Hypnotika, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie (Platzangst) mit Panikstörung.

Nachdem der Kläger seit dem 22.05.2014 von der Beklagten bereits Krankentagegeld bezogen hatte, forderte diese ihn mit Schreiben vom 27.05.2015 auf, sich zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch einen von der Beklagten benannten Gutachter untersuchen zu lassen. Als Untersuchungstermin wurde der 19.06.2015 benannt. Nachdem der Kläger diesen Termin mit der Begründung nicht wahrnahm, hierzu gesundheitlich nicht in der Lage zu sein, stellte die Beklagte mit Wirkung zum selben Datum die Krankentagegeldzahlungen ein. Rund 3 Wochen später, am 10.07.2015, kam es dann tatsächlich zur Begutachtung durch den beklagtenseits benannten Sachverständigen Prof. S..

Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Arbeitsunfähigkeit beim Kläger nicht gegeben sei (Gutachten vom 15.07.2015, Anlage K 9). Zu entgegenstehenden Ergebnissen kamen aber nicht nur die ...klinik in W., sondern auch die Behandlerin des Klägers, Frau R. als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der behandelnde psychologische Psychotherapeut R. K. (vgl. Anlage K 12).

Das zwischen den Parteien streitige Berufsbild des Klägers in gesunden Tagen hielt das Landgericht nach Vorlage eines exemplarischen Vertrages (Kooperationsvereinbarung vom 11.06.2012 - Anlage K 19) und der Vorlage eines erweiterten tabellarischen Wochenplanes durch den Kläger (Anlagen K 13 ff) für erwiesen und holte auf dieser Grundlage ein fachpsychiatrisches Gutachten ein, das zu dem Ergebnis einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers kam. Auf den nunmehr ungeachtet der Einschätzung des eigenen Privatsachverständigen erhobenen Einwand der Berufsunfähigkeit veranlasste es eine ergänzende fachpsychiatrische Stellungnahme. Infolge der Beweisaufnahme kam das Landgericht zu dem Ergebnis, der Kläger sei zwar nicht berufs-, aber für den beantragten Leistungszeitraum als arbeitsunfähig anzusehen und sprach die begehrten Leistungen vollumfänglich zu.

Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel vollumfänglicher Klageabweisung uneingeschränkt weiter. Sie rügt in allererster Linie die aus ihrer Sicht unzureichende landgerichtliche Beweisaufnahme zum behaupteten und von ihr bestrittenen Berufsbild des Klägers in gesunden Tagen.

Weiter rügt sie die Qualität des Sachverständigengutachtens des Gerichtssachverständigen mit der Begründung, dieser habe selbst eingestanden, dass ihm ab Oktober 2015 keine medizinischen/psychotherapeutischen Befundberichte vorgelegen hätten, welche einen Rückschluss auf eine etwaige Berufsunfähigkeit aus Sicht der in diesem Zeitraum zutreffenden prognostischen Einschätzung zuließen. Dann aber sei er auch nicht berechtigt gewesen, für diesen Zeitraum eine Arbeitsunfähigkeit zu postulieren (Bl. 143 unten dA). Im Übrigen wiederholen sie ihr Bestreiten in erster Instanz im Hinblick auf durchgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit, auf das Berufsbild des Klägers und auf die klägerische...

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